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Sanctum

Sanctum

Titel: Sanctum
Autoren: Markus Heitz
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möchte. Er gleicht von seiner Art meinem geliebten Pierre so sehr, dass ich fast denke, seine Seele sei in diesen Mann eingezogen. Sein Name ist Johann Ludwig von Kastell, und obwohl er Offizier in der französischen Armee ist, besitzt er etwas Zartes, Wunderbares und Freundliches, wie ich es nur von Pierre kannte. Er wird den Dienst quittieren und mich mit nach Frankfurt mitnehmen, wo er eine Stelle als Lehrer antritt. Ich bitte Euch um Euren Segen, ehrwürdige Äbtissin. Marianna geht es gut; immer noch plagt sie einmal im Monat ein Husten oder Fieber, doch sie wächst und gedeiht prächtig. Ich werde sie nach Frankfurt mitnehmen. Johann denkt, dass sie mein Kind ist, und ich werde ihn in diesem Glauben lassen. Nirgendwo wird es Marianna besser haben als bei mir, ihrem Schutzengel, und ihm. Sein Bruder hat einen Sohn, der nur ein Jahr älter ist als Marianna und ihr ein treuer Spielgefährte sein wird. Wir haben bereits darüber gescherzt, dass sie eines Tages wie ich den Namen von Kastell annehmen wird.
    Was gibt es Neues von meinem verschollenen Sohn? Ich erwarte dringend eine Nachricht von Euch.

    Mit den innigsten Grüßen
    Florence

    Gregoria lächelte. Sie ging in ihr Arbeitszimmer, setzte sich an den Tisch und verfasste die Antwort. Zunächst entschuldigte sie sich dafür, dass es ihr nicht möglich sein würde, selbst zur Hochzeitsfeier zu kommen, aber …

    … ich bereite derzeit Großes vor. Ich vertraue Dir, Florence, Dir und Deinem Menschenverstand. Heirate diesen Johann, nimm Marianna mit und schenk ihr all die Liebe, die in Dir wohnt. Ich segne Dich und Deine neue Familie und werde Euch besuchen, sobald es meine Verpflichtungen zulassen. Wenn es Neuigkeiten aus dem Gevaudan gibt, lasse ich es Dich wissen. Wir haben Jean gefunden, und er ist sich sicher, dass Dein Kind lebt. Verliere die Hoffnung nicht.

    Gregoria versiegelte den Umschlag. Sie hatte Jeans Tod absichtlich verschwiegen. Es gab keinen Grund, ihrem Mündel mehr Sorgen zu bereiten, als nötig war. Und es reichte, dass sie so oft keinen Schlaf fand, weil die Erinnerung an Jean ihr das Herz schwer machten.
    Gerade deswegen wünschte sie sich kaum etwas mehr, als Marianna bei sich zu wissen. Doch sie hielt es für zu gefährlich, das Mädchen wieder zu sich zu holen. So freundlich der neue Papst sich gegeben hatte – sie durfte ihm nicht mehr vertrauen als Lentolo. Frankfurt war weit weg von Rom. In sicherer Entfernung.
    Es klopfte, Sarai trat ein. »Die Mädchen aus dem Florentiner Waisenhaus sind eingetroffen, ehrwürdige Äbtissin. Ich bin sicher, dass einige von ihnen geeignet sind, der Schwesternschaft vom Blute Christi beizutreten.«
    Sie hob den Kopf und lächelte. »Ich bin sofort bei dir, Sarai.« Sie legte den Brief auf den Schreibtisch, stand auf und sah zum Fenster hinaus in die Gasse, in der Menschen vorbeieilten, in der das Leben herrschte. Leben, das sie und ihr Orden schützen würden. Kein Preis war dafür zu hoch.

XXIX.
KAPITEL

    Italien, Rom, 5. Dezember 2004, 23.48 Uhr
    Eric stand in einer trostlosen, öden Schneelandschaft:. Vor seinen Füßen ragte ein blutiges Babygesicht aus dem Weiß.
    Die Lider der blinden, toten Augen standen zur Hälfte offen. Er konnte nichts anders, als sie anzuschauen. Sie brannten sich in seine Gedanken. Schnell wandte er sich ab, aber das Kindergesicht verfolgte ihn. Egal, wohin er in dem unendlichen Weiß schaute, es war immer da. Es erschien sogar über ihm, am weißen Himmel, und kaum legte er stöhnend die Finger vor die Augen, zeichnete es sich sogar in den Linien seiner Hand ab … Dieses Mal war Eric sich sicher: Er befand sich in der Hölle! Mit einem Schrei riss er die Augen auf. Über sich sah er –
    – eine weiße, nichts sagende Decke. Als er die Arme bewegte, klirrten Ketten und hielten ihn sicher auf der Stahlliege.
    Er war schwach, unendlich schwach, hörte und sah nicht richtig. Auf seiner Zunge hatte sich ein Geschmack nach verbranntem Fleisch eingenistet, der nicht mehr wich.
    »Eric?« Lena erschien neben ihm, strich ihm durchs Haar und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. »Das Silber hat dich beinahe getötet. Es war ein Wettlauf gegen die Zeit, und allein dem Orden ist es zu verdanken, dass du überhaupt lebend in Rom angekommen bist.« Sie lächelte ihn aufmunternd an. »Halt durch. Es wird die Hölle, aber dann bist du frei.« Lena drückte seine Hand und zog sich zurück. Gleich darauf stand Faustitia neben ihm, in der Hand hielt sie eine Ampulle mit einer roten
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