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Salzige Küsse

Salzige Küsse

Titel: Salzige Küsse
Autoren: Tine Bergen
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wünschte er sich wahrscheinlich, dass seine einzige Tochter endlich nicht mehr so ein Wildfang wäre
.
    Ich wusste, dass Mama gehofft hatte, ich würde mir ein Brüderchen oder ein Schwesterchen wünschen. So lange versuchte sie es jetzt bereits und mit so vielen Tränen. Aber jedes Mal wurden die Kinder tot geboren
.
    »Wir haben doch schon so ein Prachtstück«, sagte Papa dann
.
    Und Mama nickte. Mit jedem toten Brüderchen oder Schwesterchen nickte sie nach diesem Satz heftiger. Als würde ihr Kopf abfallen. Aber ich wusste inzwischen, je heftiger sie nickte, desto verzweifelter war sie. Papa wusste das bestimmt auch. Und beim letzten toten Brüderchen hatte er den Satz gar nicht mehr gesagt
.
    Sie nannten mich nicht mehr Prachtstück, aber ich bemühte mich eine vorbildliche Tochter zu sein. Das war das Mindeste, was ich für Papa und Mama tun konnte. Nicht, dass es mir immer gelang
.
    Doch heute schien es, als hätte sogar Mama einen Moment lang vergessen, wie viel Leid sie immer auf den Schultern zu tragen hatte. Sie hakte sich bei mir ein und wir marschierten im strammen Tempo zum Fotografen. Mama konnte einfach nicht langsam gehen. Um Schritt zu halten, lief ich so schnell, dass meine Fersen in den Stiefeln scheuerten. Aber auch das war heute egal. Heute war wirklich alles egal!

»Philip, gib her, du Blödmann!«
    Ein Junge und ein Mädchen stürmten in den kleinen Theatersaal. Der Junge wedelte herausfordernd mit einem Handy vor der Nase des Mädchens herum. Immer wenn sie es fast erwischte, hielt er es ein Stückchen höher. Kein Problem für ihn, weil er etwa einen Kopf größer war.
    Mit gespieltem Interesse sah sich Eve die Szene an. Sie kam ihr nur allzu vertraut vor. Diese albernen Nervereien kannte sie von ihren Brüdern. Mit einem Unterschied: Hier schienen beide Spaß daran zu haben.
    Eve schaute weiter zu, wie die beiden eine Runde nach der anderen drehten. Was blieb ihr auch anderes übrig? Ganze zehn Minuten saß sie nun schon allein am Tisch. Und das nur, weil sie die Zeit falsch eingeschätzt und viel zu früh vor dem Theatersaal gestanden hatte. Also hatte sie sich einen Platz hinten im Raum gesucht, um nicht an der Tür herumzulungern.
    Alle anderen kannten sich und schienen überhaupt kein Problem damit zu haben, sie einfach dort sitzen zu lassen. Jede Minute, die Eve länger allein auf ihrem Stuhl hin und her rutschte,verfluchte sie ihre Eltern mehr. Wie konnte Mama nur glauben, sie würde hier Freunde finden?
    Das lärmende Duo näherte sich und Eve nutzte ihre Chance. Als Philip vor ihr stand, streckte sie demonstrativ das Bein aus. Überrascht hielt Philip einen Moment inne. Genug Zeit für das Mädchen, ihr Handy zurückzuerobern.
    »Yes!«, schrie sie. »Danke!« Lachend ließ sie sich neben Eve auf den Stuhl fallen. »Du hast sicher auch Brüder, was?«
    »Zwei«, nickte Eve.
    »Prima, dann können wir ja Erfahrungen austauschen. Ich heiße übrigens Lies. Und du? Was hat dich eigentlich hierher verschlagen, ich hab dich noch nie gesehen, oder?«
    Zu viele Fragen in einem Satz. Eve bemühte sich, nicht genervt zu reagieren. »Ich heiße Eve und wohne erst seit Kurzem hier, du hast mich bestimmt noch nicht gesehen. Wir sind vorgestern angekommen.«
    »Wo wohnst du denn?«
    »In D E D IJK , in dem alten Haus am Ende.«
    »Im ’ T K OUTER «, sagte Philip feierlich, während er sich auf den anderen freien Stuhl neben Eve setzte.
    »Hä?« Eve sah ihn stirnrunzelnd an.
    »Das Haus hat einen Namen. Achte mal darauf, wenn du gleich nach Hause kommst, er steht oben auf dem Giebel. Die Farbe ist mittlerweile so verblichen, dass man ihn kaum noch lesen kann, aber alle hier kennen das Haus unter ’ T K OUTER «, erklärte Lies.
    Eve schwieg. Das passte zu ihren Eltern, ein Haus mit einem Namen zu kaufen.
    »Wir wohnen hier ganz in der Nähe, in D E D REEF . Unser Haus hat keinen Namen, es ist auch längst nicht so alt wie ’ T K OUTER .«
    Eve nickte leicht und Lies quatschte munter weiter.
    Kann sie nicht mal über was anderes reden als über Häuser?, fragte sich Eve.
    »Du hast vielleicht ein Glück«, unterbrach Philip seine Schwester. »Ich würde nur zu gern in so einem Haus wohnen. Wer weiß, was dort alles passiert ist …«
    »Es ist einfach nur ein Haufen Steine.« Eve zuckte mit den Schultern.
    »Trotzdem werden jede Menge Geschichten über dein Haus erzählt.« So leicht gab Philip sich nicht geschlagen.
    »Es ist nicht MEIN Haus«, murmelte Eve, während sie an ihr
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