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Salomon – Ein Engel auf Samtpfoten

Salomon – Ein Engel auf Samtpfoten

Titel: Salomon – Ein Engel auf Samtpfoten
Autoren: Sheila Jeffries
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musste? Aber ich rang mir einen weiteren Nasenstüber ab und sah ihm in die Augen. Er mochte Katzen und streichelte mich sanft. Aber etwas in seinen hellbraunen Augen beunruhigte mich. Sie waren zu hell. Hell – und ohne ein Lächeln.
    »Er ist total dreckig.«
    Ellen setzte mich schnell ab. Ölspuren vom Lastwagen verteilten sich auf ihrem blassblauen T-Shirt. Ich stolzierte in die Küche, wobei ich eine Spur dunkler Pfotenabdrücke auf dem Boden hinterließ. Mein Schwanz stand in die Höhe und wackelte mit der Spitze.
    »So ein dünner Schwanz«, sagte Joe.
    »Das arme kleine Ding ist in einem bemitleidenswerten Zustand.« Ellen weinte fast, als sie sah, wie es mir ging. »Lass es erst mal fressen. Dann bade ich es und rubble es trocken.«
    Joe stöhnte.
    »Da haben wir’s wieder«, sagte er. »Du wirst die halbe Nacht mit ihm beschäftigt sein. Ich trinke noch ein Bier und gehe dann ins Bett.«
    Er öffnete den Kühlschrank und nahm eine schwarz-goldene Dose heraus. Ich miaute, dachte, das wäre Milch für mich. Da sagte er etwas Erschreckendes.
    »Pass auf, dass Jessica ihn nicht sieht. Sie wird ihn mit Haut und Haaren verschlingen.«
    Wer war Jessica?, fragte ich mich. Ein Hund? Ein wütender Nachbar? Eine andere Katze?
    Enttäuschung schwappte über mich hinweg. In der Küche stand ein Napf, auf dem »Pussy« stand. Er war noch halb voll. Ich brach auf dem Boden zusammen. Mein Herz pochte heftig gegen die blau-weißen Fliesen. Die Knochen taten mir weh, und mein nasses Fell wurde schwer. Ich schmeckte den ekligen Geschmack von Öl auf meiner Zunge und wollte aufgeben.
    Ellen hatte schon eine Katze.
    Eine andere war schneller gewesen als ich.

2
    Die andere Katze
    »Du böse Mieze! Verschwinde!«
    Was für ein Schock. War das wirklich Ellens sanfte Stimme, die so kreischte? Mich ankreischte? Kätzchen können sich schneller bewegen als ausgewachsene Katzen. Ich schoss also unter das Klavier.
    Nach einem schrecklichen Bad, ausgiebigem Milchgeschlabber und einem erholsamen Schlaf hatte ich mich besser gefühlt. Besonders, weil ich auf dem bernsteingoldenen Samtkissen aufgewacht war.
    »Alle Katzen lieben dieses Kissen«, hatte Ellen gesagt und mich vorsichtig daraufgesetzt, nachdem sie mich mit einem flauschigen Handtuch trockengerieben hatte. »Es hat meiner Mutter gehört. Schlaf jetzt, kleines Kätzchen. Morgen früh werden wir sehen, wo du hingehörst.«
    Aber jetzt war da Jessica. Jessica ist die frechste Katze, die ich je getroffen habe. Schwarz-weiß, seidig und süß, mit rosa Pfötchen, die sie gern zur Schau stellte, indem sie vorgab, sie zu putzen. Als ich in ihre herausfordernd blickenden gelben Augen sah, verliebte ich mich auf der Stelle. Mich von Jessica herumkommandieren zu lassen würde mir schwerfallen. Doch sechs Monate später wäre hoffentlich ich der Boss und – Pfoten drücken – ihr Geliebter.
    Ich blieb unter dem Klavier und beobachtete den Tumult. Ellen verbannte Jessica und beseitigte die Schweinerei mit dem toten Vogel, den die Katze durch die Katzenklappe hereingeschleppt hatte. Das war der erste von vielen solcher Zwischenfälle.
    Jessica benahm sich empörend. Sie zerfetzte Teppiche. Sie zerkratzte Möbelstücke. Sie versteckte ihr Futter – besonders wenn sie etwas stibitzt hatte. Ihr besonderes Kunststück war das Sich-Übergeben aus großer Höhe, um eine bessere Verteilung zu erreichen. Wurde sie ausgesperrt, pochte sie unentwegt ans Fenster und spähte mit beleidigtem Blick durch die Scheiben, bis sie wieder hereingelassen wurde. Doch am schlimmsten war, dass sie John kratzte. Der weinte, bis Ellen sich Sorgen machte. Und weil Ellen sich Sorgen machte, bekam Joe schlechte Laune.
    An diesem ersten Morgen jedoch fühlte ich mich sauber und war gut gelaunt. Ich wollte unbedingt die Treppe sehen und lauerte darauf, dass Ellen die Tür zur Diele öffnen würde. Um Menschen dazu zu bringen, eine Tür zu öffnen, sitzt man am besten in eleganter Haltung und mit erhobenem Kopf in der Nähe derselben. Man beäugt den Türgriff, und irgendwann kapieren sie es dann. Das ist sozusagen telepathischer Grundkurs.
    »Er will sich umsehen.«
    Joe öffnete mir die Tür. Er mochte Katzen offensichtlich wirklich.
    Die Diele sah atemberaubend aus mit dieser unglaublichen Treppe. Sie war einfach perfekt. Für ein Kätzchen, das in einem Bungalow geboren worden war, waren Treppen das ultimative Fitnessstudio und ein prima Aussichtspunkt. Das Beste war der Pfosten auf halber Höhe, an dem die
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