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Salomon – Ein Engel auf Samtpfoten

Salomon – Ein Engel auf Samtpfoten

Titel: Salomon – Ein Engel auf Samtpfoten
Autoren: Sheila Jeffries
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ich musste dauernd an sie denken. Ellen hatte ein Foto von Jessicas spitzbübischem Gesicht an die Wand in der Nähe von meinem Korb gehängt. Ich saß oft davor und sah es an. Ich liebte sie immer noch und hielt die Erinnerung an sie lebendig, indem ich mich an den Spaß erinnerte, den wir zusammen gehabt hatten, und an alles, was sie mir beigebracht hatte.
    Katzen können nicht gut die Zeit abschätzen, deswegen weiß ich nicht genau, wie lange wir so friedlich im Wohnwagen gewohnt haben. Der Sommer flog vorbei, und ich hatte wieder ein glänzendes Fell. Der Herbst ging vorüber, und es wurde Winter.
    John wuchs heran. Ich wusste, dass Ellen ihn alle zwei Wochen zu seinem Vater brachte. Wenn sie zurückkamen, waren die beiden meist genervt und ärgerlich. Aber Joe kam nie zum Wohnwagen, wofür ich sehr dankbar war.
    Eines hellen Wintermorgens änderte sich dann wieder alles.
    Ich saß auf dem Stufen vor dem Wohnwagen in der Sonne und leckte meine Pfoten. Auf einmal tauchte in einem Schwall von weißem Licht mein Engel auf. Normalerweise hatte ich Schwierigkeiten, ihn deutlich zu sehen, aber diesmal war er gut zu sehen. Er stand ganz klar und sternenfunkelnd vor mir.
    »Sei auf der Hut, Salomon. Eine wichtige Person wird hierherkommen. Bleib ganz nah bei Ellen und setz all deine Kräfte ein.«
    »Wer kommt denn?«, wollte ich wissen. Und in demselben Augenblick bog ein glänzend schwarzer Wagen auf den Weg zu unserem Stellplatz ab. Mein Engel verschwand in einem Lichtstrahl. Ich setzte mich aufrecht hin und versuchte, durch steife Schnurrhaare und gesträubtes Fell wichtig zu wirken.
    Der Wagen fuhr vorsichtig bis zum Wohnwagen und hielt an. Der Gerichtsvollzieher, dachte ich. Nicht schon wieder!
    Ein schöner Mann stieg aus dem Auto und betrachtete den Wohnwagen. Ich fand ihn schön wegen seiner Aura, die groß, leuchtend türkis und weiß war. Der Mann erinnerte mich an das Meer. Er hatte interessante blaue Augen, die aufleuchteten, als er mich Wache sitzen sah.
    Er sagte aber nicht: »Hallo, Miezekatze«, wie die meisten Menschen. Nein, er kam langsam auf mich zu und streckte vorsichtig seine fleischige Hand aus, um mich zu streicheln. Und vorher fragte er mich um Erlaubnis. Seine Stimme war tief, grollend und gefiel mir.
    »Darf ich dich streicheln? Du bist aber ein hübscher Kerl.«
    Ich produzierte für ihn ein Mittelding zwischen Maunzer und Schnurren und richtete mich auf, um ihm zu zeigen, dass er mich berühren sollte. Sein Streicheln war ruhig und liebevoll. Es dauerte ein paar Minuten, bevor er endlich an die Wohnwagentür klopfte. Danach trat er einen Schritt zurück und wartete respektvoll, dass Ellen aufmachte.
    Sie wirkte überrascht und auch ein bisschen ängstlich, als sie die Hand an einem Geschirrtuch abwischte, das Pam ihr geschenkt hatte.
    »Entschuldigen Sie bitte, ich bin gerade beim Backen«, sagte sie.
    Der Mann sagte erst einmal nichts. Ich sah, dass er Ellens goldenes Haar betrachtete, das in der Wintersonne glänzte.
    »Ich bin Isaac Mead«, sagte er dann. »Ich bin Mitglied des Schulbeirats an Johns Schule.«
    Ellen schüttelte ihm die Hand und schien sich unbehaglich zu fühlen.
    »Oje«, sagte sie. »Hat John was angestellt?«
    »Nein, überhaupt nicht. Ich bin wegen etwas gekommen, das John erzählt hat.«
    »Kommen Sie doch bitte herein.«
    Sie geleitete Isaac in die winzige Küche, die nach warmem Kuchen roch. Er setzte sich neben den Holzofen.
    »Hat diese wunderbare Katze auch einen Namen?«, fragte er.
    »Salomon. Weil er so klug ist«, sagte Ellen. Ich kroch auf ihren Schoß, weil ich sie beschützen wollte, und sah in Isaacs dunkelblaue Augen. Er hatte einen Bart, der schon ein bisschen grau wurde, und trug einen Dufflecoat mit Knebelknöpfen. Mit denen hätte ich gern gespielt. Aber ich riss mich zusammen.
    »Also, worum geht es?« Ellen blickte immer noch misstrauisch. »Bringen Sie schlechte Nachrichten?«
    »Nein, meine Liebe, nein. Sehen Sie, die Schule ist in einer verzwickten Lage. Das Weihnachtskonzert findet bald statt, und jetzt hat die Pianistin einen Herzinfarkt erlitten. Sie fällt ziemlich lange aus. Als wir das den Kindern gesagt haben, waren sie sehr enttäuscht. Dann hat John sich gemeldet und uns gesagt, dass seine Mami sehr gut klavierspielen kann.«
    »Wow«, sagte Ellen. Sie war ganz rot im Gesicht. »Dass er sich daran noch erinnern kann. Er war noch so klein, als wir …« Sie zögerte. Isaac sah sie nur ganz freundlich an und wartete ab. »Sie haben
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