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Salambo

Salambo

Titel: Salambo
Autoren: Gustave Flaubert
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Vordertatzen auf dem Boden. Geblendet vom Sonnenlicht, das grell von den weißen Felsen zurückstrahlte, blinzelten sie. Andere saßen auf den Hintertatzen und starrten vor sich hin. Wieder andere schliefen, zu Knäueln zusammengerollt, halb verdeckt von ihren dichten Mähnen. Alle sahen übersättigt, träge und gelangweilt aus. Unbeweglich lagen sie wie das Gebirge und die Toten. Die Nacht sank herab. Breite rote Streifen flammten im Westen am Himmel.
    Aus einem der unregelmäßig über die Erde verstreuten Haufen erhob sich eine Gestalt, undeutlich wie ein Gespenst. Einer der Löwen schritt ihr entgegen. Sein Riesenkörper hob sich als schwarzer Schatten vom purpurroten Himmelsgrund ab. Als er dem Manne ganz nahe war, schlug er ihn mit einem Schlag seiner Tatze zu Boden.
    Dann legte er sich lang auf ihn nieder und zerrte mit seinen Zähnen langsam die Eingeweide heraus. Nach einiger Zeit öffnete er seinen Rachen in ganzer Weite und stieß mehrere Minuten hindurch ein langes Gebrüll aus, dessen Echo die Berge zurückwarfen, bis es schließlich in der Einöde verhallte. Plötzlich rollten kleine Steine von der Höhe herab. Tritte huschten über den Boden. Von der Schlucht und der Drahtsperre her tauchten spitze Schnauzen und große Stehohren auf. Fahlrote Augäpfel funkelten. Das waren die Schakale, die herbei schlichen, um die Überreste zu verzehren.
    Der Karthager, der das, über den steilen Rand der Halde herabgebeugt, sah, machte sich auf den Heimweg.
    ***

    1 Die Säge liegt im Bergland zwischen dem Wed Nabhan und dem Wed el Kebir in der Nähe von Kairwan
    2 Eine Formation, in der am Ende einer Gruppe die nächste Gruppen seitlich versetzt folgen

Kapitel 15
    Matho
    Karthago frohlockte in tiefer, allgemeiner, maßloser, wahnwitziger Freude. Man hatte die Zerstörungen flüchtig ausgebessert, die Götterbilder neu bemalt, das Pflaster mit Myrtenzweigen bestreut und an den Straßenecken Weihrauch entzündet. Die Menge auf den Terrassen glich mit ihren bunten Gewändern großen Blumenbeeten in hängenden Gärten.
    Das unaufhörliche Summen der Stimmen wurde durch die Rufe der Wasserträger übertönt, die das Pflaster besprengten. Sklaven Hamilkars boten in seinem Namen geröstete Gerste und Stücke rohen Fleisches dar. Man begrüßte und umarmte einander unter Tränen. Die tyrischen Städte waren erobert, die Nomaden zerstreut, die Barbaren mit Stumpf und Stiel vernichtet. Die Akropolis war vor lauter bunten Zeltdächern kaum noch zu sehen. Die Schnäbel der Kriegsschiffe, die vor dem langen Außenkai in einer Paradelinie vor Anker lagen, blinkten wie eine lange Diamantenkette. Überall war die Ordnung wiederhergestellt. Neues Leben begann. Ein ungeheures Glück schwebte über allem: es war der Tag von Salambos Hochzeit mit dem Numidierfürsten Naravas.
    Auf dem flachen Dach des Khamon-Tempels standen, mit massigem Goldgeschirr beladen, drei lange Tafeln, an denen die Priester, die Alten und die Patrizier Platz nehmen sollten. Ein vierter, etwas erhöht stehender Tisch war für Hamilkar, Naravas und die Braut bestimmt. Da Salambo das Vaterland durch die Rückholung des Schleiers gerettet hatte, feierte das Volk ihre Hochzeit wie ein Nationalfest und wartete unten auf dem Platz auf ihr Erscheinen.
    Noch ein andres wilderes Verlangen reizte die allgemeine Ungeduld: Mathos Tod war für diese Feier angekündigt worden.
    Zuerst hatte man vorgeschlagen, ihn lebendig zu schinden, ihm Blei in die Eingeweide zu gießen oder ihn verhungern zu lassen. Dann sollte er an einen Baum gebunden werden und ein Affe sollte ihm mit einem Stein auf den Kopf schlagen. Hatte er doch Tanit beleidigt! Die heiligen Tiere der Göttin sollten Rache üben!
    Andere machten den Vorschlag, man solle ihn auf einem Dromedar durch die Stadt führen, nachdem man ihm ölgetränkte Flachsdochte in verschiedenen Körperöffnungen gestopft und durch das Fleisch gezogen hätte. Man ergötzte sich bereits bei dem Gedanken, wie das große Tier durch die Straßen jagte und der Mensch darauf unter den Flammen zuckte wie ein Kerzenlicht im Wind.
    Aber welche Bürger sollten mit seiner Hinrichtung betraut werden, und warum sollte man die anderen des Genusses berauben? Man forderte darum allgemein eine Todesart, an der die ganze Stadt teilnehmen durfte, bei der ihn alle Hände, alle Waffen, buchstäblich
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