Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Salambo

Salambo

Titel: Salambo
Autoren: Gustave Flaubert
Vom Netzwerk:
erbot sich, Hamilkar auszuliefern. Dann wolle er zusammen mit dem Söldner in Karthago einziehen, beide als Könige.
    Matho entfernte sich, indem er ein Zeichen gab, sich zu beeilen. Er hielt den Vorschlag nur für eine List, um Zeit zu gewinnen.
    Der Barbar täuschte sich. Hanno war in einer jener verzweifelten Lagen, wo man nichts mehr achtet. Überdies hasste er Hamilkar so sehr, dass er ihn bei der geringsten Hoffnung auf Rettung mit allen seinen Soldaten geopfert hätte.
    Am Fuß der dreißig Kreuze lagen die Alten halb ohnmächtig am Boden. Schon waren ihnen Stricke unter die Achseln gelegt. Da begriff der alte Sufet, dass er sterben musste, und begann zu weinen. Man riss ihm die Reste seiner Kleider vom Leibe, und sein widerlicher Körper kam zum Vorschein. Schwären bedeckten die kaum noch menschliche Gestalt. Die Nägel seiner Füße verschwanden unter den Fettwülsten seiner Beine. An seinen Fingern hing es wie grünliche Lappen, und die Tränen, die zwischen den Eiterbeulen seiner Wangen herab rannen, verliehen seinem Gesicht etwas so entsetzlich Trauriges, dass es aussah, als ob sie hier mehr Raum einnähmen als auf einem anderen Menschenantlitz. Sein Turban hatte sich halb gelöst und schleifte mit feinen weißen Haaren im Staube. Man glaubte, nicht genügend starke Stricke zu haben, um ihn am Kreuz emporziehen zu können. Daher nagelte man ihn, ehe das Holz wieder aufgerichtet war, nach punischem Brauche daran fest. Sein Stolz erwachte im Schmerz. Er begann die Barbaren mit Schmähworten zu überschütten. Er schäumte und wand sich wie ein Meerungeheuer, das man am Strande erschlägt. Er weissagte ihnen, dass sie alle noch viel schrecklicher umkommen und dass er gerächt werden würde.
    Er war es bereits. Auf der anderen Seite der Stadt rangen die zehn Gesandten der Söldner an ihren Kreuzen mit dem Tode.
    Einige, die anfangs ohnmächtig geworden waren, kamen im frischen Wind wieder zu sich. Doch ihr Kinn blieb auf der Brust liegen, und ihr Körper sank ein wenig herab, obwohl ihre Arme etwas höher als der Kopf angenagelt waren. Von ihren Fersen und Händen rann das Blut in dicken Tropfen hernieder, langsam, wie reife Früchte von den Zweigen eines Baumes fallen. Karthago, der Golf, die Berge und die Ebenen, alles schien sich um sie zu drehen wie ein ungeheures Rad. Bisweilen wirbelte eine Staubwolke vom Boden auf und hüllte sie ein. Fürchterlicher Durst verzehrte sie. Die Zunge klebte ihnen am Gaumen, und sie fühlten einen eisigen Schweiß über ihre Glieder rinnen, während das Leben langsam aus ihnen wich.
    Unter sich, wie in unendlicher Tiefe, erblickten sie Straßen, marschierende Soldaten, blitzende Schwerter. Schlachtenlärm drang verworren zu ihnen herauf wie das Meeresbrausen zu Schiffbrüchigen, die in den Masten eines Schiffes verschmachten. Die Italiker, kräftiger als die anderen, schrien noch laut. Die Spartiaten blieben stumm und hielten die Augen geschlossen. Zarzas, einst so kraftvoll, neigte sich wie ein geknicktes Rohr. Der Äthiopier neben ihm hatte den Kopf rückwärts über den Querbalken des Kreuzes geworfen. Autarit hing unbeweglich und rollte nur die Augen. Sein langes Haar, das sich an einem Span des Holzes über seinem Haupte festgeklemmt hatte, stand auf seiner Stirn hoch, und das Röcheln, das er ausstieß, klang fast wie Wutgebrüll. Über Spendius war ein seltsamer Mut gekommen. Jetzt verachtete er das Leben in der Gewissheit, bald für immer erlöst zu sein, und gleichgültig erwartete er den Tod.
    Inmitten ihrer Ohnmacht aber erbebten die Zehn bisweilen bei der Berührung von Federn, die ihre Gesichter streiften. Große Fittiche warfen schwankende Schatten über sie. Krächzen ertönte in der Luft, und da Spendius am höchsten Kreuz hing, stieß der erste Geier auf ihn nieder. Da wandte er sein Antlitz Autarit zu und sagte langsam, mit unbeschreiblichem Lächeln:
    â€žEntsinnst du dich der Löwen am Wege nach Sikka!“
    â€žDas waren unsere Brüder!“ erwiderte der Gallier und verschied.
    *
    Der Sufet hatte von allen diesen Vorgängen nichts bemerkt. Die Stadt vor ihm verdeckte das jenseitige Gelände. Im übrigen war er von Hannos Abteilung nördlich von Tunis durch das Haff und im Westen durch die vor der Stadt sich lang dehnende Lagune völlig getrennt. Die Offiziere, die er nach und nach an die beiden anderen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher