Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sakramentisch (German Edition)

Sakramentisch (German Edition)

Titel: Sakramentisch (German Edition)
Autoren: Hannsdieter Loy
Vom Netzwerk:
für
neunhundertneunundneunzig Euro, ein Container mit sechslagigem Toilettenpapier,
ein schwarz lackiertes Sailer-Klavier (niemand im Umkreis von einem Kilometer
spielte Klavier) bis hin zu geeistem Hummer und einem sprechenden Beo aus
Indien. Daneben war Bernadette zu jeder Zeit scharf gewesen auf neue Möbel und
glänzende Klamotten. Ihr Witwer verfügte jetzt zwar über ein stattliches
kleines Warenhaus. Aber er hatte auch die verdammte Schuldenlast am Hals.
    Bernadettes Beerdigung war ebenso still wie seinerzeit die Hochzeit.
Der Preis für den Bestatter, das Trinkgeld für den Pfarrer und die Kosten,
fünfzig Leute zu bewirten, das überstieg Arturs Budget bei Weitem. Um genau zu
sein, sein Budget war eh gleich null. Er musste sich in neue Schulden stürzen.
Und er hatte auch keine Aussicht auf ein weiteres Arbeitseinkommen, eine höhere
Pension oder einen Lotteriegewinn. Seine bisher schon düstere Lebensqualität
befand sich im freien Fall. Artur spürte deutlich, dass er eine trostlose und
furchterregende Zukunft vor sich haben würde.
    Am Tag nach der Beerdigung rief der zuständige Sachbearbeiter seiner
Bank an. Die Bank hörte auf den klangvollen Namen
Chiemsee-Alpenländisch-Rosenheimer Bank e.V.
    »Es tut uns leid«, klagte er. »Aber wir haben eine interne Revision.
Wir müssen alle Schuldner, die ihr Dispolimit ausgeschöpft haben, auffordern,
ihr Konto auszugleichen. Sie stehen bei dreitausend Euro. Das ist Ihr Limit.«
    Artur schluckte. »Heißt das, ich soll dreitausend Euro zurückzahlen?«
    »Ja, mein Herr. So leid es uns tut. Sie müssen das Geld
zurückführen.«
    »Bis wann muss ich die dreitausend Euro zurückzahlen? Wie lange habe
ich Zeit?«
    Die Antwort kam schnell wie eine Pistolenkugel. »Bis Ende der
Woche.«
    Zu Beginn der nächsten Woche stand der Gerichtsvollzieher vor der
Tür. Seine dünne, spitze Nase wirkte ein wenig deplatziert in dem fleischigen
Gesicht. Er trug einen dunkelblauen Blazer mit Goldknöpfen und einen weinroten
Rollkragenpulli, der seinen kurzen Hals noch dicker erscheinen ließ.
    »Sie sind hier falsch«, sagte Artur Josef. »Hier ist kein Empfang
des Hochadels.«
    Der modische Beamte nickte ihm knapp zu. »Es tut mir leid«, begann
er. »Ich bin von der Bank beauftragt, mich bei Ihnen umzusehen. Hier ist der
Beschluss.«
    Wenn Artur seiner Stimmung gefolgt wäre, wäre er in den Abstellraum
gegangen, hätte das handgeschmiedete kanadische Spaltbeil geholt, das immer
eingefettet war und mit dem er sonst Bäume und dicke Äste entzweihackte, und
hätte den Mann senkrecht halbiert. Doch er sprang über seinen Schatten und bat
ihn herein.
    Sie stiegen über einen Berg von Koffern und Kleidern, leere
Bierflaschen und ganze Haufen unbearbeiteter Steinfliesen. Elektrische Drähte
hingen wie Würmer von der Decke und an den Wänden herunter, und in einer Ecke
des Flurs stand eine Zementmischmaschine neben einem hüfthohen Behälter mit
naturtrübem Wasser.
    Es roch nach frischem Mörtel.
    Vorsichtig achtete Arturs Besuch darauf, seinen Blazer nicht dreckig
zu machen. Er verzog das Gesicht.
    »Ich habe das Gefühl, hier ist nichts zu holen. Das Klavier
vielleicht«, sagte er mit einer müden Handbewegung. »Ich werde das der
Chiemsee-Alpenländisch-Rosenheimer Bank e.V. berichten.«
    Storchengleich überquerte er den Schutt Richtung Ausgang.
    »Wenn Sie fündig werden wollen«, rief ihm Artur hinterher, »dann
besuchen Sie doch meine Villa in Andorra. Dort liegt auch mein Goldschatz auf
dem Grund des Swimmingpools.«
    Hilflos lächelnd winkte der Mann im blauen Blazer zurück.
    Arturs Herz war ihm in die Hosentasche geplumpst. Wenn er nichts
gegen seine aussichtslose finanzielle Lage tat, würde er ins Uferlose stürzen.
    Es gab nur eine Lösung, nur eine einzige.
    Geld musste her. Aber wie?

ZWEI
    Ein Krimiautor, so heißt es, sei ein Mensch, der aus Angst
vor den Folgen seine wahren Neigungen als Roman verpackt.
    Wenn das stimmte, war Hadi Yohl ein Mann von außerordentlicher
Selbstbeherrschung. Er weinte nicht, er tobte nicht, er mordete nicht –
zumindest merkte man ihm die geheimen Absichten nicht an. Er war trotz seines
beschämenden Berufs als Kriminalschriftsteller ein herzensguter Mensch.
    Deshalb marschierte er drei Tage nach Bernadettes aufsehenerregendem
Tod bei bestem Winterwetter in der Trauerkolonne mit, die sich auf den kleinen
Bergfriedhof in Arturs Dorf zubewegte. Die Mannerleit marschierten rechts, die
Weiberleit links. Hadi Yohl, der Unwissende,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher