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 Sagen des klassischen Altertums

Sagen des klassischen Altertums

Titel: Sagen des klassischen Altertums
Autoren: Michael Köhlmeier
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gekommen, und es ist von ihm auch nichts Gutes zu erwarten. Deshalb tauchte schnell Athene auf, um den Schaden zu begrenzen, und sie riet dem Kadmos: »Reiß der toten Schlange alle Zähne aus und säe sie sofort in den Boden! Tu, als ob es Samenkörner wären, säe sie um dich herum in den Boden!«
    Kadmos tat, wie ihm geheißen. Er säte die Schlangenzähne aus, und aus den Zähnen wuchsen Männer empor, und diese Männer begannen sofort aufeinander einzuschlagen. Ein prächtiges Bild: Wie Pflanzen wachsen Menschenähnliche aus dem Boden, und sobald sie ihre Wurzeln aufgegeben haben und in Stiefeln dastehen, halten sie schon Schwerter bei sich und sind voll gerüstet und führen Krieg.
    Kadmos sah ihnen ganz verwundert zu. Binnen kurzer Zeit war von diesen Männern keiner mehr übrig, alle waren sie tot. Das Spiel gefiel ihm, er hatte noch zwei Handvoll Schlangenzähne übrig, die warf er wieder aus, und wieder wuchsen die Männer empor. Nun, das zweite Mal schienen sie etwas friedlicher zu sein, das gefiel dem Kadmos aber nicht, er warf Steine zwischen sie, und sie beschuldigten sich gegenseitig und fingen wieder an, sich die Köpfe zu spalten.
    Aber Kadmos brach das martialische Spiel ab, bevor sie sich alle gegenseitig abgeschlachtet hatten. Er behielt fünf zurück. Er nannte sie die gesäten Männer, weil sie aus den Schlangenzähnen gewachsen waren. Das heißt auf griechisch: Spartoi. Das sind die Ahnherren der Spartaner, und die Spartaner waren das kriegerische Volk schlechthin, und sie gehörten von nun an dem Kadmos an.
    Wir werden von diesen gesäten Männern noch des öfteren hören, zum Beispiel, wenn von Ödipus erzählt wird. Heute würde man sagen, sie waren menschliche Mordinstrumente, Killermaschinen, diese gesäten Männer der ersten Generation. Sie waren eine fürwahr würdige Brut des Gottes Ares …
    Allein, der Kriegsgott war noch nicht zufrieden, und er zürnte dem Kadmos weiter, daß er seine Schlange getötet hatte, und er forderte dafür, daß er ihm diene. Acht Jahre, forderte Ares, solle ihm Kadmos dienen.
    Ich habe Ares immer für einen ziemlich dummen Gott gehalten. Ich möchte an dieser Stelle zwei Worte über ihn sagen. Dieser Ares ist der Gott des Krieges, und wir dürfen nicht vergessen, daß der Krieg für die Griechen nicht nur Zerstörung und grausamer Tod war, es war auch eine Art Sport, man muß das wirklich so formulieren. Der Kampf selbst war etwas Herrliches, das Ziel des Kampfes war nicht unbedingt, den Feind zu vernichten, sondern eher, ihn zu verletzen. Er sollte sich von seinen Wunden wieder erholen, damit man erneut auf ihn einschlagen konnte. Das machte Spaß, erleichterte einen. Und dieses Haudegenhafte, das eignet dem Ares. Athene, die Intellektuelle im Olymp, fühlte sich ebenfalls für den Krieg zuständig. Sie verachtete Ares, hielt ihn für einen primitiven Schläger. Sie war die Göttin der kriegerischen Strategie und der Taktik. Von Strategie und Taktik wußte Ares überhaupt nichts, wollte auch nichts davon wissen, er war der bloß Leidenschaftliche, der drauflos schlug. Athene hingegen hielt ihre Freunde an: »Überlege zuerst, was du willst. Ein Gegner ist da, um vernichtet zu werden. Wenn du ihn nicht vernichtest, wird er dich eines Tages vernichten. Also tu du es!« Kadmos war ein Freund der Athene. Ihm war sie gewogen … Wenn also in diesem Götterhimmel eine Gottheit für unseren modernen Vernichtungskrieg steht, dann ist das nicht Ares, sondern dann ist es Athene.
    Jedenfalls: Kadmos diente wider Willen diesem verrückten Ares acht Jahre lang. Er tat, was der Gott von ihm verlangte, es waren lauter Verrücktheiten, sie gingen nicht in den Mythos ein, und nach diesen acht Jahren war Ares zufrieden mit Kadmos, und er gab ihm sogar ein Geschenk, nämlich Harmonia, das ist die Tochter, die er zusammen mit Aphrodite hatte.
    Und es war das erste Mal, daß ein göttlicher Sproß, eine reine Götterfee, daß die Tochter zweier Olympier einem Sterblichen zur Frau gegeben wurde. Und das war für die Götter Anlaß genug, bei dieser Hochzeit persönlich zu erscheinen. Es muß etwas Furchtbares gewesen sein und gleichzeitig natürlich auch etwas Wunderbares, wenn die ganze Götterschar, dröhnenden Schrittes, vom Olymp heruntermarschierte, Zeus mit verdecktem Angesicht, denn es war verboten und sicher nicht ratsam, dem Göttervater ins Gesicht zu schauen, es hätte zum Wahnsinn geführt. Und so saßen sie auf dem Marktplatz von Theben und feierten die Hochzeit
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