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Sagen des klassischen Altertums

Sagen des klassischen Altertums

Titel: Sagen des klassischen Altertums
Autoren: Gustav Schwab
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Arbeitsverfahren wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, daß er zum Beispiel für die Sagen von Herakles nicht nur aus den Berichten des Apollodor und Diodor geschöpft, sondern auch Euripides und Sophokles, Kallimachos und Xenophon, Theokrit und Claudian, ja sogar Scholiasten, das heißt antike Grammatiker, die Anmerkungen zu dichterischen Werken verfaßten, herangezogen hat (im vorliegenden Falle Scholiasten zu Lykophron und Vergil). Den Theseus-Stoff konnte er nicht nur dem Drama des Euripides entnehmen, er mußte ihn auch bei griechischen Historiographen suchen, und die Ödipus-Sage war aus drei Dramen des Sophokles zu rekonstruieren. Im Prometheus-Mythos sind sogar Angaben von insgesamt zwölf verschiedenen Schriftstellern zu einem geschlossenen Bericht verarbeitet worden.
    Leichter fiel Schwab die Herausarbeitung des Sagenzyklus um Troja, der das Kernstück seines Buches bildet. Die Ereignisse bis zum Groll Achills wurden vor allem den Werken der beiden spätlateinischen Prosaiker Dares und Diktys entnommen, die im Mittelalter als Autoritäten für den trojanischen Sagenstoff galten. Doch füllte Schwab den dürren Bericht von den Begebenheiten, den sie ihm lieferten, mit Elementen aus Dichtungen des Sophokles, Euripides, Horaz und Ovid. Die sich anschließende Darstellung durfte Schwab auf Homers ›Ilias‹ gründen, und für den Abschnitt von der Bestattung Hektors bis zum Untergang Ilions konnte er – unter wiederholter Berücksichtigung Pindars, Sophokles' und Vergils – dem griechischen Epiker Quintus von Smyrna folgen.
    Für die Zerstörung Trojas und die Abenteuer der Heimkehr gaben ihm Homers ›Odyssee‹ und Vergils
    ›Äneis‹ eine verläßliche Grundlage. Den Stoff zum Schicksal der letzten Tantaliden endlich entnahm er den attischen Tragödien.
    Eine besondere Schwierigkeit erwuchs Schwab bei seinem eklektischen Verfahren, das heißt bei der Schaffung eines jeweils geschlossenen Mythen- oder Sagenbildes aus den verschiedensten, sehr ungleichartigen Vorlagen, naturgemäß auch vom Sprachlich-Stilistischen her, zumal er, wo immer möglich, 407
    Gustav Schwab – Sagen des klassischen Altertums
    mit den eigenen Worten der Dichter und Schriftsteller, denen er gefolgt ist, erzählen wollte.
    Es gelang ihm, den erhabenen Strom der Homerischen Gesänge, die Innerlichkeit Hesiods, die großartige tragische Monumentalität des Aischylos, die nervöse Erregung des Euripides, die brausende Sprache Pindars, die elegante, antithesenreiche Ovids, das Pathos des Horaz und die lahme Diktion eines Dares, Diktys oder Hygin so miteinander zu verschmelzen, daß es schon gediegener klassischer Bildung bedarf, um mitunter noch die Sprache seiner Gewährsleute heraushören zu können. Trotz des Zuflusses aus so unterschiedlichen Quellen hat er zu einer Erzählkunst gefunden, die durch Schlichtheit und volkstümliche Unmittelbarkeit besticht. Unverkennbar ist sie vom Stil der alten deutschen Volksbücher beeinflußt, die Schwab wenige Jahre zuvor nachgestaltet hatte und die er mach Stoff und Form . . . in einer gewissen Beziehung‹ zu seinen ›Schönsten Sagen des klassischen Altertums‹ sah.
    Schwab hat sich nicht gescheut, Altertümelndes in Form und Wortwahl zu gebrauchen, damit insgeheim Assoziationen an deutsche Vergangenheit zu wecken und dem Leser ein wenig den Eindruck des Heimischen zu suggerieren. Fraglos hat er dadurch erreicht, daß dem Stoff das Fremdländische bis zu einem gewissen Grade genommen worden ist.
    Aber auch sittlich Anstößiges und vollends die erotische Unbekümmertheit der antiken Vorlagen hat er entweder ausgeschieden oder gemildert, damit die Jugend, für die er sein Buch vor allem geschrieben hat,
    ›weder zum Ausspinnen unedler Bilder noch zum Grübeln der Neugier‹ veranlaßt werde.
    Mögen ›Die schönsten Sagen des klassischen Altertums‹ in neuer Gestalt vielen die Sagenwelt der Antike nahebringen und dem ewig jungen Buch zu den alten Freunden neue gewinnen.
    ZUR TEXTGESTALT
    Dem Text dieser ungekürzten Neuausgabe liegt die letzte von Gustav Schwab besorgte Ausgabe des Werkes von 1846 zugrunde. Orthographie und Zeichensetzung wurden durchweg modernisiert. Auf eine stilistische Überarbeitung des Textes ist jedoch verzichtet worden. Sie hätte dem Buche zuviel von seiner Eigenart genommen. Worte mit älteren Bedeutungen (blöde = zaghaft; schwachsichtig, trüb; brauchen =
    nutzen, gebrauchen; ich mag = ich kann; dürfen = brauchen; gemein = allgemein usw.) sind
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