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Sag nichts, kuess mich

Sag nichts, kuess mich

Titel: Sag nichts, kuess mich
Autoren: Sandra Marton
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können. Jetzt blieb auf ihrer Liste nur noch der letzte Flug aus Rom.
    Seit Stunden schon lief sie hier herum. Der ganze Tag vergeudet!
    Ein höchst undamenhaftes Wort schlüpfte ihr über die Lippen. Eine Nonne, die an ihr vorbeiging, warf ihr einen schockierten Blick zu.
    „Wären Sie an meiner Stelle, hätten Sie das auch gesagt“, murmelte sie dem Rücken der davoneilenden Nonne zu, und dann dachte sie: Ich verliere den Verstand!
    Auf der Informationstafel blinkte ein Licht auf. Grazie a Dio ! Die Maschine aus Rom war gelandet. Orsini musste in dem Flieger sitzen. Fünf Minuten zum Aussteigen, zehn fürs Gepäckabholen, noch mal zehn für die Zollkontrolle …
    Ihre Füße brachten sie um.
    Warum nur hatte sie die Dior-Pumps mit den Pfennigabsätzen angezogen? Weil die Schuhe zu dem elfenbeinfarbenen Armani-Kostüm passten, deshalb. Sie hatte sich sehr sorgfältig zurechtgemacht. Nicht, um Eindruck bei Cesare Orsini zu schinden, sondern um ihn daran zu erinnern, wer sie war und wer er war.
    Dieser Gangster wollte sich in das Antoninni-Weingut einkaufen? Sie würde die Regeln bestimmen. Nachdem ihr Vater ihr die Sache in den Schoß geworfen hatte, war das ihr gutes Recht. Wäre es von Anfang an nach ihr gegangen, hätte dieser amerikanische Bandit keinen Fuß auf toskanische Erde gesetzt!
    Ah, endlich! Die ersten Passagiere des Flugs strömten in die Wartehalle. Drei Priester, eine Frau mittleren Alters. Zwei Teenager mit Rucksäcken, eine Mutter mit einem jämmerlich weinenden Kleinkind auf dem Arm. Ein älterer Mann mit Gehstock, ein junges Pärchen, Hand in Hand.
    Und ein Mann.
    Groß, dunkelhaarig, in einem makellos sitzenden Anzug, offensichtlich maßgeschneidert. Er ging mit geschmeidigen, ausholenden Schritten, seine Miene spiegelte mühsam beherrschten Ärger wider, so intensiv, dass Alessia unwillkürlich einen Schritt nach links auswich.
    Ein Fehler, denn im gleichen Moment schwenkte er nach rechts.
    Sie stießen einander an. Ein elektrischer Stromstoß durchfuhr Alessia.
    Er schaute sie an, und er musste wohl ähnlich gefühlt haben, so, wie er die Augen zusammenkniff. Dunkle Augen, von der Farbe starken Espressos. Die Züge seines Gesichts auch stark. Schmale Nase, markantes Kinn, fester Mund.
    Es war ein sehr hartes, sehr maskulines Gesicht. Ein schönes Gesicht.
    „Entschuldigung.“
    Alessia blinzelte. Die Stimme des Mannes war ebenso hart wie seine Miene. Und das „Entschuldigung“ war eine reine Lüge. Was er wirklich damit meinte, war: Warum stehen Sie mir im Weg?
    Wie er, kniff auch sie jetzt die Augen zusammen, und ihre Stimme klang ebenso kalt. „Sie sind entschuldigt.“
    Er hob eine Augenbraue. „Charmant“, murmelte er und hastete an ihr vorbei.
    Unverschämter Kerl! Er hatte Englisch gesprochen, und sie hatte automatisch in derselben Sprache geantwortet. Offensichtlich ein Amerikaner.
    Moment. Hatte sie diese Stimme nicht schon gehört? Tief, heiser, samten, trotz der Barschheit …
    Die Menschenmenge riss sie in die Gegenwart zurück. Die Passagiere strömten jetzt durch den Zoll. Eine interessante Parade, doch Cesare Orsini war nicht darunter. Kein korpulenter kleiner Mann im dunklen Mantel, den Hut tief in die Stirn gezogen.
    Zur Hölle mit dieser ganzen Angelegenheit.
    Alessia schwang auf dem Absatz herum und marschierte zum Ausgang. Sollte ihr Vater sich selbst darum kümmern. Ihr reichte es.
    Als sie zu ihrem schwarzen Mercedes kam, steckten zwei Strafzettel hinter den Scheibenwischern. Sie zog sie hervor und warf sie beim Einsteigen achtlos auf den Beifahrersitz. Sie startete den Motor. Das sonore Schnurren zeigte keinerlei Wirkung bei den Fußgängern. Die Straße zu überqueren, ohne auf den Verkehr zu achten, war ein beliebtes Spiel in Italien. Ob nun Fahrer oder Fußgänger, man konnte es nicht spielen, wenn man Angst zeigte.
    Langsam rollte Alessia mit dem Mercedes vor. Die Menge teilte sich nur langsam und widerwillig, dennoch, der Anfang eines Durchlasses begann sich abzuzeichnen. Alessia gab mehr Gas …
    … und hörte das Klirren von Glas …
    … und erkannte das zersplitterte Rücklicht an dem Ferrari vor sich.
    Die Fahrertür flog auf, ein Mann stieg aus, sah auf das geborstene Rücklicht, dann zu ihr …
    Càvolo ! Ausgerechnet er! Der Amerikaner. Jetzt sah er nicht nur verärgert aus, er kochte vor Wut. Alessia kämpfte gegen den Impuls an, sich bang in den Sitz zu kauern. Stattdessen atmete sie tief durch, setzte ihr freundlichstes Lächeln auf und stieg
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