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Safa: Die Rettung der kleinen Wüstenblume

Safa: Die Rettung der kleinen Wüstenblume

Titel: Safa: Die Rettung der kleinen Wüstenblume
Autoren: Waris Dirie
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uns weiter reingehen«, fordere ich Safa auf. »Dort, wo es tiefer ist, können wir uns auf den Rücken legen und uns treiben lassen. Es ist gar nicht schwer, vor allem im Salzwasser. Das Meer wird uns beide tragen.«
    Die warmen Wellen umspülen unsere Beine. Im tieferen Wasser angekommen, bleibe ich stehen.
    »Leg dich einfach flach auf den Rücken«, erkläre ich Safa mit sanfter Stimme. »Meine Hand ist die ganze Zeit unter deinem Rücken. Hab keine Angst, dir kann nichts geschehen. Vertrau mir.«
    Ohne zu zögern, tut Safa, was ich ihr gesagt habe. Vorsichtig schiebe ich die rechte Hand unter ihren leichten Körper. Wie eine kleine Seelöwin schwebt das hübsche Mädchen auf dem Wasser.
    Zufrieden lächelnd schließt Safa die Augen. »Mein Schicksal liegt jetzt ganz in deiner Hand. Aber ich weiß, dass ich dir vertrauen kann, Waris.«
    Ihre Worte jagen trotz der Hitze eine Gänsehaut über meinen Körper. Leise flüstere ich ihr ins Ohr: »Ich werde dich so lange halten, bis du sagst, dass du mich nicht mehr brauchst, meine Süße.«
    Als Safa die Augen wieder öffnet, schwindet das Lächeln aus ihrem Gesicht. »Schau mal, Waris, was ist das da am Himmel hinter dir?«
    Ich drehe mich um. Hinter mir hat sich eine riesige tiefschwarze Wolke zu einem Unwetter zusammengebraut, das sich uns zu nähern scheint.
    »Jetzt gibt es wohl Regen«, versuche ich mein Patenkind zu beruhigen. »Davor brauchen wir aber keine Angst zu haben. Wasser unter uns, Wasser über uns, Wasser überall. Das ist ein großes Fest für uns Wüstenkinder.«
    Ich habe kaum zu Ende gesprochen, als ein Blitz über den Himmel rast und kurz darauf bebender Donner über den Ozean hallt. Verängstigt reißt Safa, die inzwischen wieder Boden unter den Füßen hat, die Augen auf.
    »Ich möchte in die Hütte zurück«, bittet sie. »Ich mag nicht hier im Meer bleiben. Du kannst gerne noch weiter schwimmen, aber ich gehe jetzt raus.«
    Ich lasse sie ziehen. Während sich Safa durch den Sand einen Weg zur Hütte bahnt, schwimme ich zu dem Korallenriff hinüber, das mich schon vom Boot aus fasziniert hat. Mittlerweile ist stürmischer Wind aufgekommen, und die Wellen sind deutlich höher als vorher. Als gute Schwimmerin liebe ich solche Herausforderungen. Noch ist das Gewitter nicht über uns. Tief atmend setze ich mich auf einen Felsvorsprung und blicke in Richtung Hütte. Plötzlich beginnt mein Herz wie wild zu rasen. Safa ist nicht allein.
    Eine in ein schwarzes, langes Gewand gehüllte Frau steht neben ihr und redet heftig gestikulierend auf sie ein. Wer ist diese Person, und woher kommt sie? Die Insel ist doch laut Ahmed unbewohnt!
    »Safa! Safa!«, schreie ich so laut ich kann. Ich schwenke beide Arme. »Safa!«
    Doch das Brausen des immer stärker wehenden Windes verschlingt meine verzweifelten Rufe. Blitze zucken über den Himmel, und der darauffolgende Donner rollt bedrohlich über das Meer. Das Unwetter hat die Insel erreicht. Hohe Wellen peitschen auf mich zu und klatschen tosend gegen den Fels, auf dem ich sitze. Ich beschließe, auf dem Riff zurück zum Strand zu laufen. Meine Schritte werden immer schneller. Erbarmungslos bohren sich mir die messerscharfen Korallen in die Fußsohlen. Doch ich verspüre keinen Schmerz, laufe immer weiter, immer schneller – stets die bedrohliche Frau im Visier, die Safa nun durch die schäbige Holztür in die Hütte drängt. Der Regen prasselt inzwischen lautstark auf die Meeresoberfläche.
    Endlich habe ich das Ende der Mauer, den Strand und die Hütte erreicht. Keuchend ziehe ich an der Tür, die sich vorher noch ganz leicht öffnen ließ. Nun ist sie verschlossen. Mit beiden Fäusten trommele ich so fest ich kann gegen das Holz.
    »Safa! Safa! Bist du da drin? Mach die Tür auf!«, brülle ich aus Leibeskräften.
    »Waris, Hilfe! Bitte hilf mir!«, höre ich Safa plötzlich weinen. »Die Frau hat Böses mit mir vor. Sie hat ein Messer!«
    Wutentbrannt trete ich mit voller Wucht gegen die Tür, werfe mich schließlich mit dem ganzen Körper gegen die Wände der Hütte. »Safa! Ich bin hier, ich helfe dir!«, kreische ich verzweifelt. »Alte Frau, was willst du? Lass mein Baby in Ruhe! Fass sie ja nicht an!« Meine Angst weicht grenzenlosem Zorn. »Wenn du rauskommst, bringe ich dich um!«
    Wieder höre ich Safa um Hilfe rufen. Da rast plötzlich ein Blitz über die Hütte hinweg, ein Donner lässt die Erde beben, und ein gellender Schrei dringt aus der Hütte.
    Ich weiß, was er zu bedeuten hat.
    Ich
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