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Säule Der Welten: Roman

Säule Der Welten: Roman

Titel: Säule Der Welten: Roman
Autoren: Karl Schroeder
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fuhr durch ihren Unterkiefer, und sie zuckte zusammen. Damit stand immerhin fest, dass sie noch am Leben war, dachte sie kläglich.
    Sie schon - aber weilte auch Chaison Fanning noch unter den Lebenden oder war Venera jetzt Witwe? Ja, richtig, sie hatte zu ihrem Ehemann, Chaison Fanning, zurückkehren wollen. Nach Hause …
    Sich aufzusetzen erwies sich als unmöglich. Die kleinste Bewegung löste Schmerzwellen aus, ihr ganzer Körper fühlte sich an, als hätte man ihr die Haut abgezogen. Ein Wimmern drängte über ihre Lippen.
    »Sind Sie wach?« Die Stimme mit dem harten Akzent klang alt und rau. Sie drehte vorsichtig den Kopf und konnte undeutlich eine Gestalt wahrnehmen, die sich neben sie setzte. Sie lag - wahrscheinlich - auf einem Bett, und der Mann saß wohl auf einem Hocker. Sie blinzelte, um mehr von dem langgestreckten, niedrigen Raum zu erkennen.
    »Nicht bewegen«, warnte der alte Mann. »Sie haben einen schweren Sonnenbrand und einen Sonnenstich noch dazu. Obendrein ein paar Prellungen und Schrammen. Ich habe die Laken immer wieder nass gemacht,
um Ihnen etwas Linderung zu verschaffen. Wasser habe ich Ihnen auch eingeflößt. Etwas anderes fällt mir nicht ein.«
    »D-danke.« Sie sah an sich hinab. »Wo sind meine Kleider?«
    Sein Gesicht verzog sich zu einem Lächeln, und für einen Moment sah er sehr viel jünger aus. Er hatte flache Züge mit vorspringenden Wangenknochen und durchdringende graue Augen. Augen, die einen erschauern lassen konnten, Was ihm, seinem selbstbewussten Grinsen nach zu urteilen, durchaus bewusst war. Aber als er sich im Feuerschein bewegte, entdeckte sie Falten, Spuren von Sorgen und Enttäuschungen, die ihm viel von seinem guten Aussehen genommen hatten.
    »Ihre Kleider sind hier«, sagte er und klopfte auf einen Stuhl oder Tisch neben sich. »Keine Sorge, ich habe Ihnen nichts getan. Aber nicht aus moralischen Gründen; ich halte nicht allzu viel von Moral, weder bei mir noch bei anderen. Nein, bedanken Sie sich bei meiner Arthritis, früheren Verletzungen und meinem Alter, dass Sie nichts zu befürchten haben.« Er grinste wieder. »Ich bin Garth Diamandis. Und Sie sind Ausländerin.«
    Venera seufzte matt. »Wahrscheinlich. Was hat das hier zu bedeuten?«
    Diamandis lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. »Eine ganze Menge oder auch gar nichts, das kommt darauf an.«
    »Und wo ist hier …?«
    »Spyre«, sagte er.
    »Spyre …« Sie glaubte, den Namen kennen zu müssen. Aber schon übermannte sie wieder der Schlaf, und
sie ließ es geschehen. Schließlich war es hier so angenehm kühl …
     
    Als Venera das nächste Mal erwachte, saß sie halb aufgerichtet in einem Stuhl. Ihre Stirn, ihr Oberkörper und ihre Arme waren mit feuchten Tüchern umwickelt. Von der Taille abwärts war sie in Decken gehüllt.
    Sie saß vor einem Bleiglasfenster. Der Blick ging auf eine Wand aus sonnenbeschienenem Laub. Sie hörte Vögel singen. Das ließ auf einen Garten schließen, wie man ihn nur in den größeren Habitaten fand - einen Garten mit Schwerkraft, in dem kleine, gedrungene Bäume wuchsen und das Erdreich an Ort und Stelle blieb. Dergleichen war selten - und schon deshalb ein Zeichen für Reichtum.
    Dagegen dieser Raum … Sie drehte den Kopf, und ihre Hoffnungen schwanden. Das war eine Bruchbude, auch wenn er ebenfalls auf Schwerkraft ausgelegt war. Der Boden aus unerbittlichem Eisen war Teil eines Habitat-Fundaments, erstaunlich war nur, dass sie keine Schwingungen von Triebwerken oder Propellern in den Füßen spürte. Es war geradezu unheimlich still. Der Raum selbst stand seltsam schräg, als wäre er in den Sockel eines sehr viel größeren Gebäudes hineingegraben worden. Überall waren, nur von wenigen schmalen Pfaden getrennt, Kisten, Truhen und leere Vogelkäfige verkeilt oder übereinandergestapelt. Ihr Polstersessel stand auf der einzigen freien Fläche. Zu ihrer Linken entdeckte sie das Bett und eine Feuerstelle, die so aussah, als hätte man sie wenig fachmännisch aus der Wand neben dem Fenster herausgekratzt. Dort standen mehrere Tische, die von der allgemeinen Unordnung
ebenfalls angesteckt waren; sie waren mit gerahmten Bildern bedeckt.
    Venera raffte das Laken am Hals zusammen und beugte sich vor. Schmerzflämmchen zischten durch ihre Arme und Schultern, und sie streckte fauchend den linken Arm aus. Ihre Haut war ziegelrot und begann sich bereits zu schälen. Wie lange war sie schon hier?
    Die Bilder. Sie streckte vorsichtig die Hand aus, drehte eines
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