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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul
Autoren: Jean Paul
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Verstiegenheit der Zeit in politischer und religionspolitischer Hinsicht wollte er geißeln. Hier handelte es sich nicht mehr um den Weg zu wahrem Herrschertum wie noch im »Titan«, sondern um Herrscheranspruch bei großer Fragwürdigkeit der rechtlichen Begründung. Nicht das wahre Wesen des Herrschers galt es hier aufzuzeigen, sondern das hohle Streben nach der Herrscherstellung. Die Zeit der Heiligen Allianz hätte in dem vollendeten Roman ihre unsterbliche Satire erhalten.
    Aber der Einwirkung auf die Entwicklung hatte Jean Paul längst entsagt. Er wollte nicht mehr strafend bessern, er wollte nur noch lachen, ein rein humoristisches Werk schreiben, alle Gegenstände und Personen in reinen Humor tauchen. Nicht mehr der politisch Wollende kommt im »Komet« zum Ausdruck, sondern der frei über den Dingen Schwebende, der schon den »Fibel« und den »Dr. Katzenberger« geschaffen hatte. Noch im »Titan« waren die einzelnen Personen in gewissem Sinne Typen gewesen, stellten die besondere Art einer Weltanschauung dar. Alle Strömungen der Zeit hatten wir in ihnen erkennen können. Schon im »Dr. Katzenberger« war ein tieferer Vorstoß in das individuelle Leben hinein erfolgt. Diese Menschen, von dem zynischen Arzt selbst an bis zu Theoda und Theudobach, hatten sich um einen Grad weiter von allem Typischen entfernt und sich der Wirklichkeit genähert. Der humoristische Held muß in viel höherem Grade Eigendasein haben als der Held ernster Dichtung. Albano war der Inbegriff des deutschen Jünglings, Marggraf aber ist in erster Linie er selbst, ein eigenartiges Naturspiel, eine sonst nicht wieder vorkommende Mischung. Ernste Helden haben recht oder unrecht, beim humoristischen Helden interessiert etwas anderes als ihr Recht. Die Voraussetzungen seines Seins lassen ihn uns verstehen, aber er selbst lebt mit allem Recht und Unrecht gerade so, wie er ist, und aus sich selbst heraus. Hätte er nicht dieses eigene und besondere Dasein, würde die Dichtung zur Allegorie ausarten. So ist sie humoristische Laune in willkürlicher Mischung. Wohl drückt die Dichtung als Ganzes schließlich eine besondere Seite der Zeit aus, aber in der Art, wie sie sie ausdrückt, ist sie vollkommen freies Spiel willkürlichen waltenden Geistes.
    So wird in den Personen allem Typischen aus dem Wege gegangen. Eine ganz neue Art der Menschendarstellung ist hier angewandt. Eine Gestalt wie Schoppe ist zum Beispiel durch ihre Stellung im Gesamtbau des Werkes im allgemeinen bestimmt nach Charakter und Handeln. Er repräsentiert eine ganz genau bestimmte Seite der Menschheit, von der er sich jetzt nicht mehr zu entfernen vermag. Anders Peter Worble. In ihm ist Jean Pauls Menschendarstellung viel näher an die Wirklichkeit, an das individuelle Leben herangetragen. Statt einer festen Achse wie Schoppe hat er deren mehrere, wie die meisten Menschen um mehrere Achsen rotieren. Auch er hat ein stark ausgeprägtes Freiheitsgefühl, aber leibliche Genüsse stehen ihm höher. Er hat eine gewisse Anhänglichkeit an Marggraf, aber dennoch unterstützt er dessen fixe Idee, weil sie ihn belustigt und bereichert. Nie wird er eine Gelegenheit außer acht lassen, die ihm Vorteil verschafft, wenn es ihn keine Mühe kostet. Er ist gutmütig, aber nur soweit es ihm bequem ist. Eines guten Scherzes halber aber scheut er wiederum keine Mühe. Ein Schoppe ohne Rigorismus, ein Flitte, aber ohne dessen Beschränktheit. Man kann ihn nicht auf eine Formel bringen, immer wieder überrascht er. Schon an diesem Charakter wird ersichtlich, wieviel schwieriger die Technik des »Komet« ist als etwa die des »Titan«. Dort ist eine einmal konzipierte Welt auseinanderzurollen, hier muß die Handlung, müssen die einzelnen Charaktere immer wieder Neues zeugen. Es gibt für diese Welt keine typischen Schicksale, wie etwa im »Titan« die Berührung mit der Antike in Rom ein typisches Schicksal war. Hier ist alles auf den jedesmaligen Einfall gestellt.
    Dementsprechend sind auch alle andern Charaktere rein individuell gehalten. Weder der Zuchthausprediger Süptitz noch der Hofstallmaler Renovanz sind irgendwie Typen. Auch Libette, die sympathische Schwester, ist auf keine Formel zu bringen. (Sie sollte sich wohl erst im weiteren Verlauf der Handlung entwickeln. Erst gegen Ende des dritten Bandes tritt sie zum erstenmal in den Vordergrund.) Ein ungeheurer Fortschritt in die Wirklichkeit hinein ist also festzustellen. In den humoristischen Dichtungen Jean Pauls ging die Entwicklung
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