Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Saemtliche Werke von Heinrich von Kleist (Illustrierte) (German Edition)

Saemtliche Werke von Heinrich von Kleist (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Saemtliche Werke von Heinrich von Kleist (Illustrierte) (German Edition)
Autoren: Heinrich von Kleist
Vom Netzwerk:
Pest?
     
    Abälard.      Das nicht. Das fürcht ich nicht –
Obschon der Arzt Besorgnis äußert: ja.
     
    Robert.
Daß dir ein Wetterstrahl aus heitrer Luft
Die Zunge lähmte, du Verräter, du!
(Ab ins Zelt.)
     
     
     

Siebenter Auftritt
     
    Die Vorigen ohne Robert.
     
    Eine Stimme (aus dem Volk).
Ihr Himmelsscharen, ihr geflügelten,
So steht uns bei!
     
    Eine andere.     Verloren ist das Volk!
     
    Eine dritte.
Verloren ohne Guiskard rettungslos!
     
    Eine vierte.
Verloren rettungslos!
     
    Eine fünfte.       Errettungslos,
In diesem meerumgebnen Griechenland! –
     
    Der Greis (zu Abälard, mit erhobenen Händen).
Nein, sprich! Ist’s wahr? – – Du Bote des Verderbens!
Hat ihn die Seuche wirklich angesteckt? –
     
    Abälard (von dem Hügel herabsteigend).
Ich sagt’ es euch, gewiß ist es noch nicht.
Denn weil’s kein andres sichres Zeichen gibt
Als nur den schnellen Tod, so leugnet er’s,
Ihr kennt ihn, wird’s im Tode leugnen noch.
Jedoch dem Arzt, der Mutter ist’s, der Tochter,
Dem Sohne selbst, ihr seht’s, unzweifelhaft.
     
    Der Greis.
Fühlt er sich kraftlos, Herr? Das ist ein Zeichen.
     
    Der erste Krieger.
Fühlt er sein Innerstes erhitzt?
     
    Der zweite.   Und Durst?
     
    Der Greis.
Fühlt er sich kraftlos? Das erled’ge erst.
     
    Abälard.
– Noch eben, da er auf dem Teppich lag,
Trat ich zu ihm und sprach: Wie geht’s dir, Guiskard?
Drauf er: »Ei nun«, erwidert’ er, »erträglich! –
Obschon ich die Giganten rufen möchte,
Um diese kleine Hand hier zu bewegen.«
Er sprach: »Dem Ätna wedelst du, laß sein!«
Als ihm von fern, mit einer Reiherfeder,
Die Herzogin den Busen fächelte;
Und als die Kaiserin, mit feuchtem Blick,
Ihm einen Becher brachte und ihn fragte,
Ob er auch trinken woll’? antwortet’ er:
»Die Dardanellen, liebes Kind!« und trank.
     
    Der Greis.
Es ist entsetzlich!
     
    Abälard.       Doch das hindert nicht,
Daß er nicht stets nach jener Kaiserzinne,
Die dort erglänzt, wie ein gekrümmter Tiger
Aus seinem offnen Zelt hinüberschaut.
Man sieht ihn still, die Karte in der Hand,
Entschlüss’ im Busen wälzen, ungeheure,
Als ob er heut das Leben erst beträte.
Nessus und Loxias, den Griechenfürsten
– Gesonnen längst, ihr wißt, auf einen Punkt,
Die Schlüssel heimlich ihm zu überliefern
– Auf einen Punkt, sag ich, von ihm bis heut
Mit würdiger Hartnäckigkeit verweigert –,
Heut einen Boten sandt’ er ihnen zu,
Mit einer Schrift, die diesen Punkt   bewilligt.
Kurz, wenn die Nacht ihn lebend trifft, ihr Männer,
Das Rasende, ihr sollt es sehn, vollstreckt sich,
Und einen Hauptsturm ordnet er noch an;
Den Sohn schon fragt’ er, den die Aussicht reizt,
Was er von solcher Unternehmung halte?
     
    Der Greis.
O möcht’ er doch!
     
    Der erste Krieger.   O könnten wir ihm folgen!
     
    Der zweite Krieger.
O führt’ er lang uns noch, der teure Held,
In Kampf und Sieg und Tod!
     
    Abälard.    Das sag ich auch!
Doch eh’ wird Guiskards Stiefel rücken vor
Byzanz, eh’ wird an ihre ehrnen Tore
Sein Handschuh klopfen, eh’ die stolze Zinne
Vor seinem bloßen Hemde sich verneigen,
Als dieser Sohn , wenn Guiskard fehlt, die Krone
Alexius, dem Rebellen dort, entreißen!
     
     
     

Achter Auftritt
     
    Robert aus dem Zelt zurück. Die Vorigen.
     
    Robert.
Normänner, hört’s. Es hat der Guiskard sein
Geschäft beendigt, gleich erscheint er jetzt!
     
    Abälard (erschrocken).
Erscheint? Unmöglich ist’s!
     
    Robert.    Dir, Heuchlerherz,
Deck ich den Schlei’r jetzt von der Mißgestalt!
(Wieder ab ins Zelt.)
     
     
     

Neunter Auftritt
     
    Die Vorigen ohne Robert.
     
    Der Greis.
O Abälard! O was hast du getan?
     
    Abälard (mit einer fliegenden Blässe).
Die Wahrheit sagt’ ich euch, und dieses Haupt
Verpfänd ich kühn der Rache, täuscht’ ich euch!
Als ich das Zelt verließ, lag hingestreckt
Der Guiskard, und nicht eines Gliedes schien
Er mächtig. Doch sein Geist bezwingt sich selbst
Und das Geschick, nichts Neues sag ich euch!
     
    Ein Knabe (halb auf den Hügel gestiegen).
Seht her, seht her! Sie öffnen schon das Zelt!
     
    Der Greis.
O du geliebter Knabe, siehst du ihn?
Sprich, siehst du ihn?
     
    Der Knabe.      Wohl, Vater, seh ich ihn!
Frei in des Zeltes Mitte seh ich ihn!
Der hohen Brust legt er den Panzer um!
Dem breiten Schulternpaar das Gnadenkettlein!
Dem weitgewölbten Haupt drückt er, mit Kraft,
Den mächtig-wankend-hohen Helmbusch auf!
Jetzt seht, o seht doch her! – Da ist er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher