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Saeculum

Titel: Saeculum
Autoren: Poznanski Ursula
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aneinandergeschmiegt in die Dunkelheit gingen.
    »Sie übertreibt natürlich«, erklärte Sandra. »Wir machen nichts Illegales, wir melden unser Spiel bloß nicht an.«
    »Wieso nicht?«
    »Weil wir zu ganz abgeschiedenen Orten fahren und die möchten wir uns selbst aussuchen. Wir fragen also den Waldbesitzer nicht, ob es ihm auch recht ist. Aber dorthin, wo wir sind, verirrt sich sowieso nie jemand. Wir schaden keinem, wir machen nichts kaputt - wir haben ja nicht mal Plastikmüll, den wir wegwerfen könnten.« Sie rieb sich die Augen. »Was hältst du von Lisbeth?«
    In solchen Fragen steckte eine Menge Dynamit, wie Bastian aus Erfahrung wusste. »Ich kenne sie ja bisher kaum. Scheint nett zu sein, aber eher der ruhigere Typ, oder?«
    »Findest du sie schön?«
    Eine Fangfrage. Wenn er Nein sagte, wusste sie, dass er log, wenn er hingegen Ja sagte …
    »Sie ist sehr schön«, erklärte Bastian. »Noch schöner fände ich im Moment nur ein frisch gegrilltes Spießchen.«
    Sandra sah ihn prüfend an, dann lächelte sie und hakte sich bei ihm unter. »Das sollst du kriegen.«

 
    Z wei Wolldecken, ungefärbt. Fünf von diesen windeiförmigen Unterhosen, die Sandra Bruchen nannte. Drei weite Hemden, ein gefilztes Wams in dunklem Grün. Zwei Leinenhosen, ein Gürtel, lederne Schnürschuhe, die bis zu den Knöcheln reichten. Ein großer, leerer Leinensack, ein Messer mit Horngriff, eine kleine Holzschüssel, ein Holzlöffel. Ein lederner Trinkbeutel. Leinentücher in verschiedenen Größen. Einige Fläschchen mit getrockneten Kräutern. Proviant gab es ebenfalls: einen runden Laib Brot, der, wie Bastian fand, sehr mittelalterlich aussah, und ein halbes Kilo Räucherspeck am Stück. Der Leinensack würde, wie Sandra ihm erklärt hatte, gleich doppelt nützlich sein: Man konnte darin Sachen herumschleppen, vor allem aber konnte man ihn mit Blättern und Farnwedeln füllen und so als Matratze verwenden.
    Bastian betrachtete zufrieden den Stapel auf seinem Bett. Er war für alle Eventualitäten gerüstet, fand er. Jetzt fehlte nur noch eins, die Krönung seiner Neuanschaffungen. Aus dem Schrank holte er das massive Holzschwert, das er vor zwei Tagen erstanden hatte. Dem Kauf war eine lange Diskussion mit dem Ladenbesitzer vorangegangen, der darauf beharrt hatte, dass für eine Convention nur ein Schaumstoffschwert infrage komme, überzogen mit Latex. Die Waffen, die er Bastian gezeigt hatte, waren prächtig gewesen, aber Latex? Im 14. Jahrhundert? Bastian hatte auf dem Holzschwert bestanden und die Klinge mit einem metallisch glänzenden Lack überziehen lassen.
    »Es ist nicht für Kämpfe geeignet«, warnte der Verkäufer. »Damit können Sie jemanden verletzen!«
    Zu kämpfen war ohnehin nicht in Bastians Absicht, aber dieses Schwert fühlte sich an wie der Schlüssel zu Sandras Welt, wie Das Schrillen der Türklingel unterbrach seine Gedanken, ein einzelner, lang gezogener Laut. Etwas in Bastian wusste sofort, wer ihn da besuchte, obwohl derjenige eigentlich dreihundert Kilometer weit entfernt sein und Golf spielen sollte. Doch die Türglocke klang anders, wenn er es war. Aggressiver. Fordernder.
    Er hob den Hörer der Gegensprechanlage ans Ohr. »Ja?«
    »Sehr gut, du bist zu Hause. Mach auf.«
    Bastian drückte den Türöffner und hasste sich dafür. Er sprintete zu der gestapelten Ausrüstung auf seinem Bett und warf eine Decke darüber, wofür er sich noch etwas mehr hasste.
    Die Schritte genagelter Maßschuhe hallten durchs Treppenhaus. Er öffnete die Tür mit dem Gefühl, eine riesige Faust würde seinen Magen zusammenpressen. Sein Vater tauchte stückchenweise auf, mit jeder Stufe ein bisschen mehr.
    »Du musst dich über den Reinigungsdienst hier im Haus beschweren, die Fenster im Treppenhaus sind seit Monaten nicht geputzt worden.«
    »Hallo, Vater.«
    »Ja, ja. Hallo. Hast du ein gebügeltes Hemd? Ist dein Anzug sauber?«
    »Wie bitte?«
    »Wir fahren nach Berlin. Chirurgenkongress. Wenn du kein ordentliches Hemd hast, kaufen wir eben unterwegs noch eins.« Sein Vater trat in die Wohnung, fuhr mit dem Zeigefinger über die Oberkante des Schuhschranks und betrachtete angeekelt den Staub auf seiner Fingerkuppe. »Deine Putzfrau taugt auch nichts, wie ich sehe.«
    »Ich habe keine.«
    »Ach. Ja, das merkt man.« Er wischte sich den Staub von der Hand. »Also. Pack deine Sachen, in zehn Minuten brechen wir auf.«
    Hitze. Aufsteigende Hitze in Bastians Kopf, in seinem Bauch. Er starrte seinen Vater an und
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