Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Saat der Lüge

Saat der Lüge

Titel: Saat der Lüge
Autoren: B Jones
Vom Netzwerk:
glaube nicht, dass sie ihn je darauf angesprochen hat, dass sie ihn je auch nur gefragt hat, ob es stimmt. Das muss Liebe sein, nicht wahr?«
    In seinen Worten war ein Anflug von Hohn, aber er brachte es nicht übers Herz, den Hohn auch in seine Augen vordringen zu lassen.
    »Als ich euch beide zusammen gesehen habe, damals auf der Straße, als er dich über diesem blöden Sportwagen umarmt hat …« Er bricht ab. Aus der Stille, die nun folgt, quillt eine Million Wörter hervor. Dann sagt er bedächtig: »Und als er dich zu Tim begleitet hat und so lange weggeblieben ist, war mir endgültig alles klar. Man braucht wohl kaum so lange, um von einem Haus zum anderen zu kommen, oder? Er hatte natürlich Gewissensbisse, aber gleichzeitig war er überglücklich und wollte seine Gefühle mit jemandem teilen. Und dieser Jemand war ich, obwohl er doch gewusst haben muss, was er mir damit antat. Wie hätte er es nicht wissen können? Er dachte, dass es vielleicht etwas bedeutet, weißt du. Dass du ihn vielleicht wirklich willst. Du Glückspilz, habe ich zu ihm gesagt.«
    Ich bin immer noch starr vor Schreck.
    Stevie hatte es Cora erzählt. Er hatte ihr von unserer einzigen gemeinsamen Nacht erzählt. Es spielte keine Rolle, wann er es getan hatte. Tage, Wochen, Jahre später? Das Ergebnis war dasselbe.
    Er hatte sie eines Nachmittags beiseitegenommen, auf seine ruhige, kultivierte Art, hatte vielleicht ihre Hand genommen und ihr gestanden, dass er sich nicht sicher sei, ob er es ihr erzählen solle, dass er aber glaube, es sei auch in ihrem Interesse.
    Vielleicht hatte er aber auch nur eine Andeutung gemacht, ein wohlüberlegtes Wort oder eines, das er voller Wut, voller Bosheit, voller Abscheu hervorgestoßen hatte. Ein Wort, eine Geste, eine Berührung, ein Kuss, ein Schlag ins Gesicht. Nett oder grausam, betrunken oder nüchtern, ernsthaft oder im Spaß, war das nicht letztlich egal? Der Sinn war unmissverständlich gewesen. Nicht so nett, nicht so süß, nicht so tolerant, nicht so dumm, nicht so typisch Stevie.
    »Aber es hat nicht funktioniert«, fährt er fort. »Nicht so, wie es funktionieren sollte.«
    Er steht jetzt direkt vor mir, in voller Größe. Ich sehe, wie er die Schulterblätter anspannt, und muss an den Stevie vom Hochzeitsabend denken. Mein Instinkt rät mir, zurückzutreten und zwischen uns Raum zu schaffen für das, was er sagt, aber ich widerstehe dem Drang. Er soll nicht merken, dass ich plötzlich Angst vor ihm habe. Ich frage: »Wovon redest du, Stevie?« Was hätte ich sonst sagen sollen?
    »Sie liebte dich zu sehr, genauso sehr, wie sie ihn liebt. Aber das hast du von Anfang an gewusst, oder? Deshalb warst du immer so. Weil du es dir leisten konntest. Du wusstest, dass sie dir alles verzeihen würde.«
    In seine Augen tritt ein amüsierter Glanz und etwas Härteres, Älteres, weiter Zurückliegendes. Wir sind beide älter geworden.
    Wenn ich ganz ehrlich war, hatte ich es tatsächlich gewusst. Meine Zuneigung zu Cora war echt, aber wahrscheinlich hätte ich sie nach Bedarf ablegen oder wieder aufnehmen können. Bei ihr war es anders. Cora schleppte einen Berg von Verpflichtungen und Bindungen mit sich herum wie einen Stapel alter, ganz hinten in den Schrank gestopfter Kleider. Oben lugten einzelne Socken hervor, verblichene T-Shirts, hin und wieder ein Farbtupfer, ein viel getragenes, viel geliebtes orangerotes Cocktailkleid. Ihr in allen Regenbogenfarben schillerndes Gefühlsleben war für jedermann sichtbar – so war Cora eben. Sie wünschte sich genauso sehr wie ich, irgendwo dazuzugehören, offenkundig sogar noch mehr als ich.
    Irgendwo in diesem Kleiderberg war auch ich, zusammengeknüllt und verknotet mit Mike und ihren Eltern und Stevie. Um mich wegzulegen, mich abzustreifen, hätte sie so viel mehr aufgeben müssen als nur mich. Und selbst wenn sie es gewollt hätte, wären ihre Arme anschließend leer gewesen.
    Sie hatte es also die ganze Zeit gewusst und dieses Wissen still mit sich herumgeschleppt – ohne je darüber zu sprechen.
    Mein Anblick musste sie geschmerzt haben wie eine offene, triefende Wunde, die sich aus jedem Lächeln und jeder Berührung speiste, eine Wunde, die paradoxerweise immer größer und gleichzeitig schorfiger wurde und sich Stück für Stück in sie hineinfraß. Was für ein Gefühl ist es wohl, wenn man für die Person, die man über alles liebt, unsichtbar wird, sobald die beste Freundin auftaucht? Wenn man nur für den Augenblick lebt, in dem einen ein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher