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Ruth

Ruth

Titel: Ruth
Autoren: Frank G. Slaughter
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zurückgerannt, das Gesicht bleich
und die Augen weit aufgerissen vor Angst. Machlons Hand fuhr zu seinem Dolch,
der seine einzige Waffe war, denn er hatte seinen Speer vor der Höhle
liegengelassen. „Was ist los, Kiljon?“ fragte er. „Du siehst aus, als ob du ein
Gespenst gesehen hättest.“
    „Eine furchtbare Statue steht
auf dem Hügel.“
    „Wie sieht sie aus?“
    Kiljon erschauerte. „Der Körper
ist aus Steinen gebaut, wie ein dicker alter Mann, der auf seinen Fersen
kauert. Das Gesicht ist gräßlich, mit zwei hellen Feuersteinen als Augen.“
    „Ruth, das Mädchen, das mit den
Moabitern an der Zufluchtsstätte war, warnte mich davor, mich innerhalb der
Stadtmauern niederzulassen“, sagte Machlon. „Sie empfahl uns, unsere Wohnung in
einer der Höhlen in der Nähe des Standbildes aufzuschlagen, und sie sagte, ich
würde es erkennen, wenn ich es sähe. Dies muß der Ort sein, von dem sie sprach.“
    Kiljon zitterte. „Es ist ein
schlechtes Omen, Machlon. Ich fürchte mich.“
    Machlon lachte und klopfte ihm
auf den Rücken. „Wenn das Götzenbild ein Omen ist, muß es ein gutes sein, denn
es kam von Ruth.“
    „Sie ist sehr schön“, gab
Kiljon zu. „Das konnte ich sehen. Aber sie ist eine Moabiterin.“
    „Und wir leben in Moab, mein
Bruder“, erinnerte ihn Machlon. „Geh und such einen flachen Stein für den
Altar, ich sammle noch trockene Rinde als Zunder.“
    Der Altar war der wichtigste
Teil der Einrichtung in einem israelitischen Heim, gleichgültig ob Palast, Zelt
oder Höhle auf einem fremden Hügel wie diesem. Dieser Altar war bald
fertiggestellt. Rauhe Steine wurden aufeinandergeschichtet und ein flacher
Stein darübergelegt. Als er fertig war, kniete Machlon nieder und löste die
Rinde von einem Armvoll toter Zweige, die er am Berghang aufgesammelt hatte. Er
brach die Zweige in kleine Stücke und schichtete die Hölzer neben dem Altar
auf. Dann nahm er die Rinde und begann, die trockene Innenschicht abzukratzen,
bis eine kleine Menge braunen Pulvers auf dem Stein angehäuft war. Dies war der
Zunder.
    Als nächstes entnahm er ihrem
Gepäck einen Feuerstein, wie ihn Schmiede stets mit sich führten, und ein
kleines Stück gehärteten Metalls. Als er mit geschicktem Aufschlag das Metall
an dem Feuerstein streifte, ging ein Funkenregen auf den Zunder nieder. Er
wiederholte diesen Vorgang einige Male, bis ein Dutzend winziger Rauchfahnen
anzeigte, daß die Funken den Zunder erfaßt hatten. Dann ließ er den Feuerstein
und das Eisen fallen und blies sorgsam über den Zunder, bis er aufglühte und
sich ein Flämmchen bildete.
    Auf die Flamme legte er schmale
Streifen Rinde kreuzweise übereinander und fügte, als die Flamme nach ihnen
griff, die Holzstückchen, die er von den trockenen Zweigen abgebrochen hatte,
eines nach dem anderen hinzu. Bald knisterte das Feuer auf dem flachen Stein.
    „Der Altar ist fertig, Vater“,
rief Machlon Elimelech zu. Nur das Oberhaupt der Familie oder ein Priester
konnte ein Opfer darbringen, das für den Gott Israels vollkommen annehmbar war.
„Was sollen wir als Opfer verwenden?“
    Elimelech öffnete die Augen.
„Die ersten Früchte gehören dem Herrn“, flüsterte er.
    „Wir haben keine Früchte außer
ein paar Feigen, die wir in einem Obstgarten neben der Straße aufgesammelt haben.“
    „Der Herr wird sie sicherlich
annehmen“, meinte Noëmi. „Sobald wir es uns leisten können, werden wir ein Lamm
kaufen und es dem Allerhöchsten zum Dank opfern.“
    Machlon nickte. „Morgen früh
werden Kiljon und ich unsere Schmiedeöfen und Schleifsteine aufstellen. Es gibt
immer Hacken und Messer zu schärfen. Wir sollten bald genug verdienen, um ein
Lamm kaufen zu können.“ Er nahm drei reife Feigen aus einem Korb und trug sie
auf einem Teller zu seinem Vater, der im kühlen, schattigen Höhleneingang lag.
Dann kniete er vor dem alten Mann nieder und hielt sie ihm entgegen.
    „Segne diese ersten Früchte
unseres Einzugs in dieses neue Land, Vater“, sagte er. „Und ich werde sie als
Brandopfer auf den Altar legen.“
    Elimelech sprach die
Segensworte und ein Gebet, daß ihr Opfer angenehm sein möge. Ehrfurchtsvoll
nahm Machlon die Feigen und legte sie in die knisternden Flammen auf dem
Steinaltar.
    Nachdem die Flammen die
frischen Früchte verzehrt hatten, machte man sich eifrig an die Arbeit. Vom
Altar nahm Noëmi einen brennenden Zweig, um ein Feuer zum Kochen und auch zum
Schutz gegen die Kälte, die sich bei Einbruch der Dunkelheit im
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