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Ruth

Ruth

Titel: Ruth
Autoren: Frank G. Slaughter
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du in der Tat
ein Verräter bist. Sei versichert, daß der Herr uns den Sieg bringen wird, denn
unsere Sache ist die seine. Dann wird jeder erhalten, was er verdient.“ Cheb
wurde ein wenig blaß, aber es gelang ihm, Sicherheit vorzutäuschen. „Selbst
Eliab wird mir danken, wenn ich Hedaks Armee in eure Hände liefere“, sagte er
beflissen. „Und es wird ihm leid tun, daß er an mir gezweifelt hat.“
    „Das hoffe ich, Cheb“, sagte
Boas mit der gleichen ruhigen Stimme wie zuvor. „Das hoffe ich wirklich. Denn
was mit dir geschieht, wenn du dich als Verräter erweist...“
    Cheb versuchte ein Grinsen,
aber sein Gesicht war fahl, als er wieder hinter den beiden Anführern herritt.
     
    Ruth schlief für eine Weile;
den Rest des Tages verbrachte sie im Gebet. Ola war seit langem wach, aber sie
lag noch immer auf ihrem Stroh in der Ecke und beobachtete jede Bewegung Ruths
mit scharfen, glänzenden Augen. Als sich Ruth am späten Nachmittag von ihren
Knien erhob, schob sie ihr Haar mit dem Arm müde aus der Stirn, so daß das
Zeichen Kamoschs sichtbar wurde.
    „Eine Moabiterin!“ stieß die
Irre augenblicklich wütend hervor. „Tötet die Moabiterin!“ Sie erhob sich auf
ihren dürren Beinen, die mit Wunden bedeckt waren, und streckte die Hände wie
Krallen aus; ihre Augen brannten in der plötzlichen, sinnlosen Wut der
Wahnsinnigen.
    Ruth wandte sich instinktiv von
der abstoßenden Erscheinung ab, aber ihre Reaktion erregte die arme irre
Kreatur nur noch mehr. „Tötet die Moabiterin!“ kreischte sie und kam auf sie
zu. „Sie haben die Hand meines Sohnes abgehackt.“
    Unwillkürlich hob Ruth den Arm,
um die Krallen der Irren abzuwehren, wie sie es getan hatte, als Zelda sie auf
der Tenne angriff. In ihrer Panik vergaß sie sogar, daß Abiram mit dem Wärter
vor der Tür Wache hielt und sie ihn nur zu rufen brauchte.
    Ola hatte Ruth beinahe
erreicht, als sie etwas Seltsames tat. Genauso, erinnerte Ruth sich jetzt, war
es an jenem ersten Morgen beim Brunnen gewesen. Der ganze Ausdruck der Irren
wandelte sich plötzlich zu einer verschmitzten Miene, und sie lächelte, wenn
man die Grimasse, mit der sie ihre schwarzen Zahnstümpfe zeigte, so nennen
konnte.
    „Die Moabiter sind jetzt die
Freunde meines Sohnes“, summte sie in dem Singsang, dessen sie sich so oft
bediente. „Sie sind freundlich zu ihm.“
    Ruth starrte Ola verblüfft an
und erwartete halb, daß sie erneut von einem dieser plötzlichen Zornesausbrüche
gepackt würde. Es dauerte deshalb eine Weile, bis sie die volle Bedeutung
dieser Worte erfaßt hatte. Doch dann konnte sie den plötzlichen Schrecken, der
sie ergriff, kaum beherrschen.
    Mit aller Willensanstrengung
zwang sich Ruth, ruhig zu bleiben. Es gelang ihr sogar, Ola zuzulächeln.
Irgendwie mußte sie herausbekommen, was die arme Frau genau meinte. Wenn es das
war, was sie bereits zu wissen glaubte, würden ihre schlimmsten Befürchtungen
für Boas sich bewahrheiten.
    „Ich bin auch aus Moab“, sagte
sie mit einem freundlichen Lächeln. „Und ich bin auch ein Freund deines
Sohnes.“
    Ola begann mit einem Ausdruck
unmenschlicher Fröhlichkeit herumzuspringen. „Wenn Hedak Juda erobert“,
triumphierte sie in dem greinenden Singsang, „werden wir reich sein. Prinz
Hedak hat versprochen...“
    „Hedak?“ keuchte Ruth, unfähig,
einen Schrei der Überraschung zu unterdrücken.
    Die Irre hörte mit ihrem
Springen auf, und ein listiger Ausdruck kam in ihre Augen. „Du bist aus Moab.
Du mußt ihn kennen“, gackerte sie und brach erneut in einen sinnlosen
Lachanfall aus.
    „Prinz Hedak ist ein großer
Mann“, zwang sich Ruth zu sagen. Die Irre kam näher und senkte ihre Stimme zu
einem verschwörerischen Flüstern. „Hedak zahlt Cheb gut“, vertraute sie Ruth
an.
    Ruth hielt den Atem an. Die
Antwort auf alle Fragen des vergangenen Tages lag in diesem Kerkerloch — wenn
sie es doch nur um Stunden früher erkannt hätte. Ola hatte an jenem Morgen beim
Brunnen tatsächlich die Wahrheit gesagt, aber Ruth konnte das damals nicht
ahnen, da in Moab wie in Juda niemand den Phantastereien der Wahnsinnigen
Beachtung schenkte.
    Elend vor Entsetzen über das,
was sie gerade erfahren hatte, rannte Ruth zur Tür und hämmerte mit den Fäusten
dagegen. „Abiram! Abiram!“ rief sie. „Ich muß dich sprechen.“
    Der Wärter öffnete die Tür.
Abiram stand direkt hinter ihm. Als er Ruths Gesicht sah, trat er rasch ein und
hielt sie fest, denn sie schwankte und wäre beinahe
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