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Russische Freunde: Kriminalroman

Russische Freunde: Kriminalroman

Titel: Russische Freunde: Kriminalroman
Autoren: Matti Rönkä
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eines Außenbordmotors auf dem Fluss schwollen in meinen Ohren zu einem Lärm an, den der Wind und die Vögel und all die üblichen Geräusche der Natur noch verstärkten. So etwas konnte ich nicht brauchen. Ich musste mich auf die Begegnung mit meinem Feind konzentrieren, statt einer verflossenen Liebe nachzuweinen und mich zu zanken, nein du, nein ich, und damals hast du es ganz genauso gemacht.
    »Geh rein, Lena«, bat ich.
    Lena stand auf, strich nicht vorhandenen Schmutz von der Hose.
    »Mach’s gut«, sagte sie und ging. Ich sah ihr nicht nach.
    Mit einem leisen Räuspern machte Korhonen mich taktvoll darauf aufmerksam, dass er in Hörweite war. Vermutlich hatte er mit seinem kapusta -Russisch Teile unseres Gesprächs verstanden und sich den Rest aus unserem Tonfall zusammengereimt. »Ich heize dann mal die Sauna«, sagte er fast teilnahmsvoll.
    Ich beobachtete ihn schweigend. Er verglich den Rauchfang und das Ofenblech und den Aschenfänger mit der Sauna auf dem Hof seiner Eltern. Zwischendurch ging er in den Holzschuppen und spaltete Scheite, schwang die Axt lässig und geschickt.
    »Holzhacken ist ein vernünftiges Hobby, eine nützliche Art, sich Bewegung zu verschaffen«, sagte er mit geschwellter Brust. »Und man beachte: Es sind genug fertige Scheite da, aber es gehört zum guten Ton, so viel neue zu hacken, wie man verbraucht, und noch ein bisschen mehr«, fügte er besserwisserisch hinzu und ließ sich anschließend über Dialektunterschiede aus, erklärte mir genau, wo man einen Holzscheit halko nannte und wo klapi oder nalikka oder hellakalikka .
    Ich wusste, dass Korhonen mit seinem Geschwätz ein unendliches, nahtloses Strickwerk produzierte, einen eintönig grauen Strumpf. Es sollte mich wärmen.

21
    »Karpow kommt«, übersetzte ich Medwedkins Winken. Ein strahlend weißer Jeep kam in Sicht, schaukelte über die löchrige Straße.
    Rasch ging ich Oka Sorokins Konzentrationstechniken durch. Ich schloss die Augen, atmete tief durch und schaltete alle überflüssigen Gedanken aus. Ich dehnte den Nacken, schüttelte die Arme aus und konzentrierte mich auf meine Hände, auf jede einzelne Fingerspitze. Ich spannte Bauchmuskeln und Oberschenkel an und stellte mich auf die Zehenspitzen. Dann vergewisserte ich mich noch, dass ich meine Pistole kühl und eckig im Rücken unter dem Hosenbund spürte.
    Ich hatte den Geschmack von Eisen und Blut im Mund wie auf der Zielgeraden beim Skiwettkampf. Ich war bereit.
    Den Bug des Jeeps zierte ein verchromter Kuhfänger, darüber prangte eine Batterie Zusatzscheinwerfer. Die Fenster waren dunkel getönt und nahezu undurchsichtig. Fast lautlos öffneten sich die Vordertüren, und zwei junge Männer stiegen aus. Den einen kannte ich gut, und auch von dem anderen wusste ich, dass er auf Karpows Gehaltsliste stand. Die Männer murmelten einen Gruß, gaben mir aber nicht die Hand. Sie blieben an den offenen Türen stehen, den einen Fuß auf dem Trittbrett, den anderen auf der Erde. Hinten kletterte Karpow aus dem Wagen. Die Rückbank war so hoch, dass er beinahe springen musste.
    »Mit einer halben Armee bist du gekommen, zu den alten Leuten«, begann Karpow auf Russisch.
    Er nickte zu Medwedkin hinüber, bemerkte dann auch Korhonen und schnaubte leise, als er ihn erkannte. Ein Hauch von Eifersucht flog über sein Gesicht, als der Wind den ersten Rauch aus der Sauna auf den Hof blies.
    »Und deine eigene Miliz hast du auch dabei.« Karpow lächelte etwa eine Sekunde lang. »Nur wir beide, das wäre besser gewesen. So haben wir uns doch immer durchgeschlagen, selbst im Tiefschnee. Beim einen die Bindung kaputt, beim anderen der Skistock gebrochen. Und keine Ahnung, wohin es gehen soll«, ließ er den alten Waljuscha aufblitzen.
    Ich erinnerte mich an die Geschichte. Wir waren in Otepää im Skilager, hatten uns verlaufen. In den Fichten knackte der Frost, und der Abendhimmel war tiefblau.
    »Auch damit sind wir fertig geworden. Aber jetzt bringt Nostalgie nichts«, riss Karpow mich barsch aus meinen Gedanken.
    »Lass uns Finnisch sprechen«, ordnete ich an.
    »Meinetwegen. Aber warum bist du nicht allein gekommen? Und warum nicht zu mir, nach Sortavala? Ausgerechnet hierher musstest du fahren!«
    »Waleri, hör auf, dich zu drehen und zu winden. Du weißt genau, dass ich es nicht wagen konnte.« Ich zwang mich, ruhig und leidenschaftslos zu sprechen. »Ich musste vor meinem besten Freund Schutz suchen. Einen Treffpunkt finden, an dem er mich nicht töten kann.«
    Karpow
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