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Runenschwert

Runenschwert

Titel: Runenschwert
Autoren: Low Robert
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blutende Frau tot war, während sich der Schnee zu ihren Füßen rot färbte.
    Es war eine Kunst, die man bewundern musste. Eine Strafe, die selbst hart gesottene Zeitgenossen vor Missetaten zurückschrecken ließ in dieser Stadt, die von ihren Bewohnern Nowgorod, die Große, genannt wurde.
    Dennoch fiel es schwer, dieses Kunstwerk einer Strafe wirklich zu schätzen, wenn man als Nächster an der Reihe war – so wie ich. Ich fragte mich, welchen Preis die Herrscher von Nowgorod akzeptieren würden, damit mir der Pfahl erspart blieb.
    Würde ein Grabhügel mit allem Silber der Welt ausreichen?

Kapitel Eins
    HESTRING, Ostgotland, Frühherbst A. D. 972
    Am Tag als wir die Pferde hinunterbringen wollten, regnete es. Ich steckte den Kopf zur Tür hinaus, und an der Art und Weise, wie der Wind vom Meer her pfiff und alles vor sich her trieb, erkannte ich, dass es tagelang regnen würde.
    Drinnen rührte Thorgunna im Kessel über dem Feuer und legte Holz nach. Sie hatte ein verschmitztes Elfengesicht, dunkles Haar und war gebaut wie ein gutes Schiff, unsere Thorgunna, oder, wie Kvasir sich ausdrückte, sie war »eine Frau mit einem Bug«. Sie hatte eine Art, eine Augenbraue hochzuziehen und dich aus ihren schwarzen Augen anzusehen, dass es dich vernichten konnte. Wir waren aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen, als Kvasir sie geheiratet hatte. Bei der Hochzeit hatte Finn, als er betrunken war, treffend gesagt: »Der war zu lange auf See. Wozu braucht jemand wie Kvasir, der Sabberer, eine Frau? Wenn er erst einen Winter mit Thorgunna zusammengelebt hat, wird er darum betteln, wieder an Bord gehen zu dürfen.«
    Neben ihr stand Ingrid und hackte Grünkohl. Im Gegensatz zu Thorgunna war sie blond und schlank, mit wippenden Zöpfen, und sie warf Botolf, wie sie glaubte, heimliche Blicke zu. Sie hatte schon ein Kind von ihm und war ihm öffentlich versprochen. Thorgunna war die Schwester von Thordis und beide stammten aus Gunnarsgard, dem nächsten Hof, wo sie zusammen mit ihrer Cousine Ingrid gelebt hatten. Thordis hatte Tor Eisenhand geheiratet und Gunnarsgard gehörte den beiden Schwestern je zur Hälfte – eine unnatürliche Sache, denn ein Hof sollte immer an das älteste Kind gehen. Ihre Cousine Ingrid hatte ebenfalls bei ihnen gelebt.
    Man hätte denken können, dass Tor mit drei Frauen unter einem Dach ein gutes Leben hatte, doch die, die es besser wussten, meinten, dass er ja auch dreifachen Ärger haben müsse. Er hätte auch Thorgunna gern geheiratet, um die andere Hälfte des Hofes ebenfalls zu bekommen, aber da hatte Kvasir sich gemeldet und Thgorgunna nach Hestreng geführt, und Ingrid gleich mit. Das war kurz, nachdem er hier bei uns angekommen war.
    »Wie sieht’s da draußen aus?«, fragte Thorgunna.
    »Der Hof ist ein einziger See«, berichtete ich und setzte mich ans Feuer. »Koch uns was Gutes – das können wir heute alle gebrauchen.«
    Sie schnaubte. »Das kann ich mir denken. Und dabei wird an so einem Tag kein Schlag Arbeit getan.«
    Das war ungerecht, denn es gab immer etwas zu tun, auch im Haus. Die zwei Webstühle hatten wochenlang nicht stillgestanden, als zwei Leibeigene des Hauses Bahnen von gestreiftem Vadmaltuch webten; das neue Segel für die Elk . Alle waren beschäftigt, selbst die Kinder, sei es mit Nähen, Stricken, Lederarbeiten oder einer Holzschnitzerei.
    Allerdings belagerten die Kinder im Halbdunkel lieber Botolf und bettelten um Geschichten. Die drei älteren Jungen waren Söhne der Leibeigenen, die sie von ihren früheren Eigentümern hatten; die zwei Säuglinge hingegen waren der Nachwuchs meiner Eingeschworenen, dazu kam noch ein Kuckuckskind von Jarl Brand – das Haus hallte wider vom Lärm der Kinderschar.
    Die Männer kamen zum Essen herein, graue Gestalten an einem grauen Tag. Sie bliesen sich die Regentropfen von der Nasenspitze und schüttelten das Wasser aus ihren Umhängen.
    Ich setzte mich auf meinen Thron, wo ich Ruhe haben würde, während sich die Halle mit Lärm und Geschwätz füllte und der Geruch nach nasser Wolle sich breitmachte. Die irische Leibeigene, Aoife, versuchte gerade, ihrem Sohn eine wollene Tunika über die molligen Ärmchen zu ziehen, aus der er sich aber jedes Mal wieder herauswand. Endlich hatte sie es geschafft, gerade als Thorgunna ihr auf die Schulter klopfte und sie anwies, Muscheln aus dem Vorratshaus zu holen. Sie ging, wobei sie einen besorgten Blick auf ihren Jungen warf, der Cormac hieß und gerade im Begriff war, zu den Hirschhunden
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