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Runenschild

Titel: Runenschild
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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gefroren und er brach sich allein zwei Fingernägel
bei dem Versuch ab, ihn zu öffnen. Das Pony wieherte
ganz schwach und sah ihn vorwurfsvoll aus seinen großen
dunkelbraunen Augen an.
Der Blick rührte Dulac tiefer, als er es sollte. Dieses Tier
hatte ihnen beiden treu und klaglos gedient und sie vergolten es ihm, indem sie es hier draußen in der Eiseskälte
angebunden hatten, sodass es um ein Haar erfroren wäre.
Vielleicht brachte er ja einfach allen, die ihm Treue und
Freundschaft schenkten, am Ende nur Verderben.
Dulac verscheuchte den Gedanken fast erschrocken,
knotete das Tier mit einiger Mühe gänzlich los und postierte es so, dass es vor Gwinneth herging, um sie wenigstens vor dem schlimmsten Wind zu schützen, als sie sich
auf den Weg zur Rückseite des Gebäudes und damit zu
den Ställen machten. Es nutzte nicht viel. Die Entfernung
betrug kaum mehr als zwei oder drei Dutzend Schritte,
und obwohl sie sich in der Gaststätte hinlänglich aufgewärmt hatten, waren sie vor Kälte schon wieder fast steif,
als sie den Pferdestall erreichten.
Es war nicht mehr als ein zugiger Schuppen, in dem es
fast ebenso kalt war wie unter freiem Himmel, doch
wenngleich es auch eisig durch die Ritzen in den dünnen
Bretterwänden pfiff und hier und da sogar Schnee hereinwirbelte, waren sie wenigstens vor dem schneidenden
Wind geschützt. Es gab kein Licht, aber Dulacs Augen
waren viel schärfer geworden, seit er die silberne Rüstung
trug, sodass er ihre Umgebung zumindest schemenhaft
erkennen konnte. Der Raum war größer, als er erwartet
hatte, und beherbergte fast ein Dutzend Pferde; die Hälfte
abgemagerte, struppige Klepper, die die Spuren jahrelanger, viel zu schwerer Arbeit und zahlreicher Schläge aufwiesen, die anderen kräftige, gedrungene Tiere, die noch
Sättel und Zaumzeug aus grobem geschwärztem Leder
trugen und nebeneinander angebunden waren. Dulac vermutete, dass es sich um die Reittiere ihrer neuen Freunde
handelte. Im hinteren Teil des Stalles führte eine steile
Leiter auf einen Heuboden hinauf. Es roch nach feuchtem
Stroh und auch ein wenig unangenehm, als läge irgendwo
etwas Totes, das faulte.
Dulac band das Pony neben den Tieren der Söldner an,
wo es warm und halbwegs vor dem Wind geschützt war,
der durch die Ritzen in der Bretterwand hereinpfiff.
Dann deutete er mit einer Kopfbewegung auf die Leiter
zum Heuboden.
»Schlafen wir dort oben oder willst du lieber hier unten
bei den Pferden bleiben? Hier ist es wärmer.«
»Es stinkt«, stellte Gwinneth fest.
»Nur nach Pferd.« Dulac hob die Schultern. »Andererseits sind wir dort oben wahrscheinlich sicherer, falls wir
ungebetenen Besuch bekommen. Und wir haben schon an
schlimmeren Orten geschlafen.«
»Du traust den Männern nicht«, sagte Gwinneth.
Anstelle einer direkten Antwort hob Dulac nur die
Schultern. Er wusste es wirklich nicht. Seine mitunter
schmerzhaft erwobene Lebenserfahrung warnte ihn davor, irgendjemand zu leichtfertig Vertrauen zu schenken –
während seine Menschenkenntnis in diesem Fall das Gegenteil von ihm verlangte. Über seine Brüder und seinen
Onkel traute er sich kein Urteil zu, doch Sean schien trotz
seines reichlich ungehobelten Benehmens kein schlechter
Kerl zu sein. Vielleicht sehnte er sich aber auch einfach
nur nach normalem menschlichem Umgang.
Gwinneth verzichtete auf eine weitere Erläuterung und
stieg stattdessen langsam und zielstrebig vor ihm die Leiter empor. Dulac wäre lieber hier unten geblieben – die
Körperwärme der Pferde hätte sie besser vor der Kälte
geschützt als das feuchte Stroh dort oben –, aber er war
viel zu müde, um sich mit Gwinneth auf eine Debatte einzulassen.
Oben angekommen kuschelten sie sich eng aneinander,
um wenigstens vor der schlimmsten Kälte geschützt zu
sein, und Dulac schlief ein, noch bevor er sich ganz ausgestreckt hatte.
    Er erwachte von dem unbestimmten aber qualvollen Gefühl einer Gefahr, die sich über ihm zusammenballte, und
mit dem sicheren Wissen, dass nicht besonders viel Zeit
vergangen war. Wie immer, wenn er kurz nach dem Einschlafen wieder geweckt wurde, hatte er das Gefühl, vollkommen zerschlagen zu sein. Seine Glieder schienen mit
Blei gefüllt und seine Augenlider waren aus irgendeinem
Grund plötzlich zentnerschwer. Er brauchte fast seine gesamte Kraft, um sie zu heben und in die Dunkelheit über
sich zu blinzeln.
    Nichts. Sie waren allein. Er sah nichts weiter als die
bleichen Schatten des vom
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