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Ruhig Blut!

Ruhig Blut!

Titel: Ruhig Blut!
Autoren: Terry Pratchett
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Probleme nicht lösen konnte.
    Zumindest begegnete man Agnes mit Respekt. Das galt selbst für Leute, die sie gekannt hatten, bevor man ihr erlaubte, den schwarzen Hut zu tragen. Sie machten ihr Platz, wenn sie sich näherte. Andererseits neigten die Leute ohnehin dazu, wenn Agnes heranrauschte.
    »Guten Abend, Fräulein…«
Sie drehte sich um und sah Festgreifaah in voller offizieller Montur. Es war wichtig, bei solchen Gelegenheiten nicht zu lächeln; deshalb
    blieb Agnes ernst, während hinter ihrer Stirn Perditas hysterisches Lachen erklang.
    Sie hatte Festgreifaah gelegentlich gesehen, am Waldrand oder im Moor. Meistens war der königliche Falkner damit beschäftigt, sich seine Vögel vom Leib zu halten, die ihn allein zum Zeitvertreib angriffen. Was bei König Henry bedeutete, daß Festgreifaah angehoben und dann fallen gelassen wurde – der Adler hielt den Falkner offenbar für eine besonders groß geratene Schildkröte.
    Man konnte ihn nicht als schlechten Falkner bezeichnen. Noch einige andere Leute in Lancre hielten sich Falken, und er war einer der besten Abrichter in den Spitzhornbergen. Das lag vermutlich an seiner Beharrlichkeit. Allerdings richtete er seine Vögel so gut ab, daß sie irgendwann unbedingt feststellen wollten, wie er schmeckte. Er hatte es nicht verdient. Ebensowenig verdiente er diese Kleidung. Wenn er sich nicht gerade in der Gesellschaft von König Henry aufhielt, trug er Leder und mindestens drei Pflaster. Jetzt steckte er in etwas, das vor Jahrhunderten von jemandem geschaffen worden war, der eine sehr schwärmerische Vorstellung vom Land gehabt hatte. Für solche Kleidung konnte nur jemand verantwortlich sein, der noch nie durch Brombeersträucher gekrochen war, während ein Falke an seinem Ohr hing. Das Zeug hatte viele rote und goldfarbene Stellen und hätte bei jemandem, der mindestens sechzig Zentimeter größer und mit den richtigen Beinen für rote Kniestrümpfe ausgestattet war, ganz ordentlich ausgesehen. Über den Hut sprach man am besten gar nicht. Und wenn doch, eigneten sich zur Beschreibung Worte wie »groß, rot und schlapp«. Eine Feder steckte darin.
    »Fräulein Nitt?« fragte Festgreifaah.
»Entschuldigung… Ich habe deinen Hut betrachtet.«
»Sieht gut aus, nicht wahr?« erwiderte Festgreifaah liebenswürdig. »Das
    ist William. Sie ist ein Bussard, hält sich jedoch für ein Huhn. Kann leider nicht fliegen. Ich muß ihr beibringen, wie man jagt.«
    Agnes reckte mehrmals den Hals, um nach religiöser Aktivität Ausschau zu halten, doch das ein wenig zerzaust wirkende Geschöpf auf Festgreifaahs Handgelenk beanspruchte immer mehr von ihrer Aufmerksamkeit.
    »Wie man jagt?« wiederholte Agnes.
»Sie kriecht in einen Bau hinein und tritt das Kaninchen darin zu Tode. Und ich habe ihr fast das Krähen abgewöhnt, stimmt’s, William?« »William?« fragte Agnes. »Oh… ja.« Sie erinnerte sich daran, daß ein Falkner jeden seiner Falken »sie« nannte.
»Hast du hier irgendwelche Omnianer bemerkt?« flüsterte sie und beugte sich dabei zu Festgreifaah vor.
    »Was sind das für Vögel, Fräulein?« erwiderte der Falkner unsicher. Er wirkte immer ein wenig besorgt, wenn sich das Gespräch nicht um Falken drehte, wie jemand mit einem großen Wörterbuch, in dem er das Stichwortverzeichnis nicht finden konnte.
    »Oh, äh… schon gut.« Agnes’ Blick kehrte noch einmal zu William zurück. »Wie? Ich meine, wie ist es möglich, daß sich ein solcher Vogel für ein Huhn hält?«
    »Kann ganz leicht passieren, Fräulein«, erwiderte Festgreifaah. »Thomas Unvergleichlich drüben aus dem Blöden Kaff stibitzte ein Ei und legte es unter eine brütende Henne. Er nahm das Huhn nicht rechtzeitig weg, und William sagte sich: Wenn meine Mutter ein Huhn ist, dann bin ich ebenfalls eins.«
    »Nun, das ist…«
»So passiert’s, Fräulein. Wenn sie bei mir ausschlüpfen, gebe ich immer acht. Ich habe da einen besonderen Handschuh, Fräulein…«
    »Das ist wirklich sehr interessant, aber ich muß jetzt gehen«, sagte Agnes rasch.
»Ja, Fräulein.«
    Sie hatte den Gesuchten bemerkt – er wanderte durch den Großen Saal.
    Etwas Unverkennbares haftete an ihm. Man hätte ihn fast für eine Hexe halten können. Es lag nicht etwa an dem schwarzen Mantel, der an den Knien endete und zwei Beine zeigte, die in grauen Socken und Sandalen endeten; auch nicht an dem schwarzen Hut, der nur einen kleinen Kopf bedeckte, dessen Krempe jedoch genug Platz für die Teller einer umfangreichen
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