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Rufmord

Rufmord

Titel: Rufmord
Autoren: Andre Minninger
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sich wahrnehmen, dass Mr Anderson gewaltig das Hemd flattert.« Justus drückte auf die Rücklauftaste und ließ ›Mysterys‹ Anruf erneut abspielen. Wieder stoppte er das Band. »Der sonst so wortgewandte Moderator bringt plötzlich kein Wort mehr heraus. ›Dreizehn, vierzehn, sieben, acht. Und wieder ist ein Joke vollbracht.‹ Wie kann ihn dieser Spruch nur so aus der Fassung bringen?«
    »Für mich ergibt der Vers überhaupt keinen Sinn«, musste Bob eingestehen. »Aber vielleicht besteht zwischen ›Mysterys‹ erstem und zweitem Anruf eine Verbindung.«
    »›Es war die Nachtigall und nicht die Lerche ...‹«, murmelte Justus. »Dieses Zitat kenne ich doch.«
    »Nicht nur du hast William Shakespeare gelesen, Chef«, kam Bob ihm zuvor. Er verdrehte theatralisch die Augen und strich sich anmutig durchs Haar. »›Es war die Nachtigall und nicht die Lerche‹«, flötete er in höchsten Tönen. »Das stammt aus dem Liebesdrama ›Romeo und Julia‹. Das Pärchen stammt aus zwei Adelsfamilien, zwischen denen ein großer Streit herrscht. Dennoch verlieben sich der Sohn und die Tochter ineinander und treffen sich heimlich in der Nacht.«
    Peter hob die Augenbrauen. »Und wie ist das Zitat mit der Nachtigall zu verstehen?«
    »Als Romeo eines Nachts verbotenerweise bei seiner angebeteten Julia schläft, schreckt er plötzlich hoch, weil eine Nachtigall ihr Liedchen anstimmt«, fuhr Bob fort. »Romeo löst sich aus den Armen Julias, weil er glaubt, dass die Lerche bereits ihr Morgenlied singt. Schnellstens will er den Rückweg antreten, damit das heimliche Treffen nicht bemerkt wird. Julia aber kann ihren Geliebten beruhigen. ›Es war die Nachtigall und nicht die Lerche.‹ Was so viel bedeuten soll wie: Die Nacht ist noch nicht verstrichen, wir haben noch genügend Zeit.«
    »Moment mal!«, fuhr Peter plötzlich hoch. »Dann liegt die Vermutung doch nahe, dass es sich bei ›Mysterys‹ Anruf um eine Liebesangelegenheit handelt. Vielleicht haben wir es hier mit einer Frau zu tun, die in Kevin Andersons Stimme verschossen ist. Menschen verknallen sich manchmal in Prominente, obwohl sie ihnen nie persönlich begegnet sind.«
    »Ein Motiv wäre das schon.« Nachdenklich zupfte Justus an seiner Unterlippe. »Doch wie erklärt sich dann Mr Andersons sonderbares Verhalten auf die Anruferin?«
    »Vielleicht hatten die beiden ja ein Verhältnis miteinander«, zog Peter in Betracht. »Kevin könnte sich gegen ihren Willen von ihr getrennt haben, und nun spielt ›Mystery‹ die zu Unrecht Verlassene, die ihren Geliebten um jeden Preis zurückhaben will. Weshalb sonst sollte sie den Spruch aus ›Romeo und Julia‹ zitieren?«
    »Wie aber passt der zweite Anruf in die Geschichte?« Justus’ Finger trommelten nervös auf die Sessellehne. »Die Stimme gehörte unverkennbar einem Mann.«
    »Dann steckt Kevin Anderson womöglich in einem komplizierten Dreiecksverhältnis!«, gab Peter grinsend von sich. »Mensch, Just, musst du denn überall gleich ein Geheimnis wittern? Schließlich haben auch berühmte Moderatoren ein Privatleben. Und solange uns niemand offiziell damit beauftragt, in dieser ›Mystery‹-Sache zu ermitteln, sollten wir uns auch nicht weiter darum kümmern.«
    Der Erste Detektiv machte ein beleidigtes Gesicht und ließ das Band mit der Aufzeichnung weiter ablaufen. Wortlos lauschte er der Sendung und schwieg noch immer, als Peter um dreiundzwanzig Uhr zehn aufs Radio umschaltete, um die neue ›Prime-Time‹ live mitzuverfolgen.
    Kevin Anderson schien wieder ganz der Alte zu sein. Frisch vergnügt und mit bissigen Kommentaren plauderte er sich locker durch das Programm, dessen heutiges Motto ›Graffiti – Kunst oder Schmiererei?‹ lautete. Ein Thema, das bei den Zuhörern offenbar auf reges Interesse stieß, da es eine große Anzahl von Anrufen gab.
    »Und hier kommt auch schon der nächste Anrufer!«, dröhnte es vergnügt aus den Lautsprechern. »Halli-hallo, wer ist denn da?«
    »›Mystery‹ ...«, erklang eine flüsternde Frauenstimme.
    Für eine Sekunde stockte Kevin Anderson der Atem. Doch dieses Mal schien er auf die geheimnisvolle Anruferin vorbereitet zu sein. Wider Erwarten begann er plötzlich zu lachen. »Bevor Sie gleich wieder einen unverständlichen Kommentar abgeben, sollten Sie vielleicht den Zuhörern und mir die Regeln erklären, damit wir uns an Ihrem Ratespiel beteiligen können!«
    ›Mystery‹ reagierte darauf gelassen und gurrte wie eine Taube: »Ruckediguh ... ruckediguh ...
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