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Ruchlos

Ruchlos

Titel: Ruchlos
Autoren: Beate Baum
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anstatt immer davon auszugehen, dass sie so wenig erzählen konnte, wie sie behauptete.
    »Ich kann ein bisschen zwischen den Zeilen lesen, glaube ich. Natürlich war Heinz auch auf die beiden stolz, und Leon hat er vergöttert, aber sie haben nicht studiert, beide bis heute keine feste Beziehung. Die Aschenputtel eben.«
    Ich nickte nachdenklich. Das konnte ich mir gut vorstellen. »Bleibt der Zweig der Schwarzen Schafe.«
    »Nu. Über Bettina hat Heinz kaum gesprochen. Ich denke, er war enttäuscht, dass sie so wenig aus sich gemacht hat. Sie muss sehr begabt gewesen sein, hat aber nicht studiert wie ihre Geschwister, sondern in einem Hotel angefangen. Sie wollte wohl unbedingt raus aus der engen DDR – etwas, was Heinz bestimmt verstanden hat, aber niemals akzeptieren konnte – und hat darin eine Möglichkeit gesehen. Geheiratet hat sie einen hohen Funktionär. Fragen Sie mich nicht.« Sie hob die Schultern leicht an. »Die Ehe war nach wenigen Jahren gescheitert, im wahrsten Sinne des Wortes übrig geblieben ist Ronnie.«
    »Übrig geblieben, ja.« Ich aß den letzten Bissen Kartoffelsalat. »Gab es Auseinandersetzungen zwischen Herrn Wachowiak und Bettina?«
    »Früher bestimmt. In jüngerer Zeit hat sie sehr wenig mit ihm zu tun haben wollen, glaube ich. »Sie rutschte ein wenig auf ihrem Stuhl hin und her. »Ich sollte mich nun wieder auf der Station melden, sonst denken die noch, ich wäre verschwunden.«
    Ich warf einen Blick auf die Uhr an der Wand. Nach sieben schon. »Ja, mein Freund wird sich auch schon fragen, wo ich bleibe. Würden Sie mir vielleicht noch sagen, bei welcher Krankenversicherung Sie sind?«
    Wenn die Hooligans und die Familie falsche Spuren waren, musste der Mörder aus dem Umfeld des Krankenhauses oder der ›VitalMed‹ kommen. Oder es steckte etwas ganz anderes dahinter.
    Ich würde morgen noch einmal herumtelefonieren – und mich nun, bevor ich zu Andreas ging, schnell auf Frau Gärtners Station in Erinnerung bringen. Sie sollten wissen, dass jemand viele Fragen stellen würde, falls der alten Frau etwas passierte.
    *
    Dramatische Klänge signalisierten das Ende der ›Lindenstraße‹, als ich Andreas’ Zimmer betrat. Er lag hoch aufgerichtet im Bett, links neben sich auf der Decke eine Tafel Schokolade, den Blick auf den Fernsehschirm an der Wand gerichtet.
    »Hi! Da hätte ich dir ja gar nichts Süßes mitbringen müssen.« Ich zog den Nougatriegel, den ich in der Cafeteria besorgt hatte, aus der Tasche. »Dann wirst du ja viel zu dick.« Ich gab ihm einen Kuss, den er nicht erwiderte.
    »Das ist wohl meine Sache.« Er war sauer.
    »Na, wenn du so aussiehst wie Klaus Beimer«, versuchte ich es weiter mit einem lockeren Tonfall, »dann brauchen wir ein stabileres Bett.« Er verzog noch nicht einmal die Mundwinkel, obwohl der Witz ursprünglich von ihm stammte. » Kommst du morgen raus? Soll ich dich abholen?«
    Der TV -Moderator kündigte einen Beitrag über die englische Stadt Blackpool an.
    »Meinst du, du kannst die Zeit erübrigen? Du hast nicht zufällig irgendwelche Pläne mit Dale? Dich einem Schläger ans Messer zu liefern, zum Beispiel?« Er war laut geworden und musste tief Luft holen, zuckte zusammen. Dabei sah er mich nicht an, sondern starrte auf den Fernsehschirm, wo ein hölzener Pier gezeigt wurde.
    »Jonas war hier«, sagte ich und ließ mich auf seine Bettkante sinken. Natürlich, er hatte vermutlich darauf gebrannt, Andy von unserem Abenteuer zu berichten, und ich Idiotin hatte ihn nicht extra gebeten, das mir zu überlassen.
    »Schon vor Stunden. Er meinte, dass du mich auch nachmittags besuchen wolltest, aber du musstest wohl noch mit Dale feiern. Ich lauf ja nicht weg, bei mir kann man ja abends mal kurz vorbeischauen, das reicht. Der Trottel merkt doch eh nichts.«
    »Selbstmitleid muss was Schönes sein!«, entgegnete ich, nun ebenfalls aufgebracht. »Es tut mir leid, dass ich so spät gekommen bin, aber so wie es aussieht, habe ich hier nichts verpasst. Ruf mich an, wenn du dich wieder eingekriegt hast!« Ich stand auf und wandte mich zum Gehen.
    »Mache ich gern – vermutlich in der Antonstraße?«, schickte er mir hinterher.
    *
    »Es war wohl nicht so gelungen, dass ich Andreas von dem Ausflug ins Gambrinus-Eck erzählt habe?«, mutmaßte Jonas am nächsten Morgen in der Redaktion.
    »Nicht wirklich«, antwortete ich schlecht gelaunt. Natürlich hatte Andy nicht mehr angerufen. Ich war etliche Male kurz davor gewesen, hatte es dann aber auch nicht
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