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Rubinsteins Versteigerung

Rubinsteins Versteigerung

Titel: Rubinsteins Versteigerung
Autoren: Rafael Seligmann
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Tür, ich kann es gebrauchen. Wo liegt das Problem?«
    »Du bist das Problem. Du fährst nicht wie ein Mensch.«
    »Sondern?«
    »Wie ein Verrückter!«
    »Jetzt ist es aber genug! Was soll ich denn tun? Hier herumsitzen?«
    »Du kannst zu Fuß gehen oder mit der Straßenbahn fahren, wie Arale Blau. Sein Vater gibt ihm auch nicht den Wagen.«
    »Weil der Alte den Wagen selbst braucht, um seine Freundin zu besuchen. Das verstehe ich. Unser Friedrich würde so was nie wagen. Gebt mir jetzt den Wagen, verflucht noch mal!«
    »Du wirst das Auto nicht kriegen, solange du wie einVerrückter Auto fährst. Und schon gar nicht, wenn du dich unanständig benimmst und brüllst.«
    »Seid ihr schwachsinnig? Wie soll ich wie ein ›Normaler‹ fahren, wenn ich den Wagen nicht bekomme? Und wie soll ich mich ›anständig‹ benehmen, wenn ich dauernd provoziert werde? Wenn ihr darauf wartet, dass ich ›bitte, bitte‹ mache, könnt ihr lange warten. Ich will jetzt das Auto, verdammt noch mal. Sonst sitze ich den ganzen Abend in der Bude und lass euch nicht in die Röhre glotzen.«
    »Jetzt kriegst du den Wagen erst recht nicht! Wir lassen uns doch nicht von dir erpressen. Benimm dich wie ein Mensch. Lerne, tu was, arbeite. Du bist jetzt 21, gehst immer noch zur Schule und lässt dich von deinen Eltern aushalten. Schau deine Freunde an! Die meisten sind schon fast mit ihrem Studium fertig. Andere helfen ihren Eltern im Geschäft, nur unser Herr Jonny sitzt rum und stellt auch noch Ansprüche! Leiste erst was!«
    »Darf man fragen, was du geleistet hast, Friedrich? Du bist der größte Versager weit und breit. Als Einziger in der Familie warst du unfähig, dich in Israel einzuordnen, und musstest zurück nach Germanien. Den Deutschen kannst du erzählen, dass es dich wieder in deine alte Heimat zurückgezogen hat. Tatsächlich aber hast du in Israel schlicht und einfach versagt. Und was tut Friedrich Rubinstein nach seinem Abstieg 1 nach Deutschland? Hilft seinen Glaubensgenossen, ein Vermögen zu erwerben, anstatt selber Geld zu machen. Du bist ein Lohnsklave geblieben, während die anderen Jidn im Geld baden. Nichtgenug damit, verschleppt der Kerl auch noch mich ins Naziland.«
    »Du hast immer genug zu essen gehabt.«
    »Verdammter Lügner. Du weißt ganz genau, dass ich durch die einseitige Ernährung nach unserer Ankunft in Deutschland eine Mangelerkrankung bekommen habe, die mich ein Leben lang zum Krüppel stempelt.«
    »Friedrich, der Junge ist nicht normal. Wegen einer leichten Rachitis ist man doch kein Krüppel.«
    »Halt bloß dein Maul, du Giftmischerin! Eine leichte Rachitis. Weshalb habt ihr denn keine ›leichte Rachitis‹? Warum habt ihr mich in dieses Scheißland gebracht, mich zum Krüppel gemacht?«
    »Wenn du nach Israel gehen willst, tu es doch! Keiner hält dich hier zurück. Aber hör endlich auf, deine Eltern zu beleidigen.«
    »Friedrich, erzähl keinen solchen Unsinn. Was soll der Junge in Israel tun? Zum Militär gehen und sich totschießen lassen?«
    »Hört, hört, die ›stolze Jüdin‹! Wisst ihr, was ihr seid? Der Abschaum der Menschheit! Versager, Feiglinge, Duckmäuser! Nur bei mir seid ihr groß. Besonders Fred, du alter Schlappschwanz. Du bist sogar zu blöd, mich loszuwerden! Lieber jagt Esel dich zum Teufel, statt auf ihren einzigen Sohn auch nur einen Tag lang zu verzichten.«
    »Hör nicht auf ihn, Friedrich.«
    »Wieso? Er hat doch recht.«
    »Jawohl, du Schlappschwanz – ich habe recht. Du bist ein Nichts und ein Niemand. Nicht einmal in der eigenen Familie, bei der eigenen Frau zählst du etwas.«
    »Halt dein Maul, du Lump!« Fred ist aufgesprungen. Mit wuchtigen Schritten stampft er auf mich zu. Er ist kleiner, aber erheblich stärker als ich. Sein mächtiger Brustkorb und die kräftigen Armmuskeln verraten den ehemaligen Sportler.
    Fred kommt näher. Ich habe Angst. Unwillkürlich kneife ich die Augen zu, stoße ihn mit einer Reflexbewegung zurück. Er prallt gegen die Kommode, schreit auf, stürzt sich sofort wieder auf mich. Ich reiße die Fäuste vors Gesicht, als er zuschlägt. Da spüre ich seinen Unterarmknochen an meiner Faust. Fred schreit vor Schmerz auf, taumelt zurück, hält seinen getroffenen Arm. Tränen schießen ihm in die Augen.
    »Lump, Lump, du verkommener Lump«, schluchzt er. Bald heult er hemmungslos wie ein Kind.
    Esel hat das Gerangel stumm verfolgt. Nun schreit sie gellend: »Hilfe! Hilfe! Ein Mörder!«
    Ich renne in den Flur, reiße die Wohnungstür auf,
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