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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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war als früher. Ich ging gleichwohl seltener hin und hätte meine Besuche vielleicht ganz unterlassen, wenn mich nicht Frau Dupin in einer unerwarteten Laune hätte bitten lassen, während acht oder zehn Tagen die Ueberwachung ihres Sohnes zu übernehmen, der einen anderen Hofmeister erhielt und während dieser Zwischenzeit ganz auf sich allein angewiesen war. Diese acht Tage verlebte ich in einer unaufhörlichen Qual, die mir allein das Vergnügen, Frau Dupin gefällig zu sein, erträglich machen konnte; denn der arme Chenonceaux hatte schon damals diese leidenschaftliche Hitze, die seine Familie beinahe entehrt hätte und der es zugeschrieben werden muß, daß er auf der Insel Bourbon starb. So lange ich bei ihm war, verhinderte ich ihn, sich selbst oder andern Schaden zuzufügen, das war aber auch alles, und ich brachte es obendrein nur mit großer Mühe zu Wege. Aber keine zweiten acht Tage hätte ich es noch übernommen, und hätte sich mir auch Frau Dupin selbst zum Lohne hingegeben.
    Herr von Francueil gewann mich lieb, ich war sein Arbeitsgenosse, und wir begannen zusammen bei Rouelle einen Cursus in der Chemie. Um ihm näher zu sein, verließ ich mein Hôtel Saint-Quentin und schlug meine Wohnung in dem Ballhause der Straße Verdelet auf, welche die Straße Plâtière, in der Herr Dupin wohnte, durchkreuzt. Dort bekam ich in Folge einer vernachlässigten Erkältung eine Lungenentzündung, an der ich fast gestorben wäre. In meiner Jugend habe ich oft dergleichen entzündliche Krankheiten, Brustfellentzündungen und namentlich Bräuneanfälle gehabt, denen ich sehr unterworfen war und die ich hier nicht aufführen will, die mich aber alle dem Tode nahe genug haben ins Gesicht schauen lassen, um mich an sein Bild zu gewöhnen. Während meiner Genesung hatte ich Zeit über meine Lage nachzudenken und meine Schüchternheit, meine Schwäche und besonders meine Trägheit zu beklagen, die mich trotz des Eifers, der mich beseelte, an der Pforte des Elendes im steten geistigen Müßiggange erschlaffen ließ. Am Abend vor meiner Erkrankung war ich in eine Oper von Royer gegangen, welche man damals gab und deren Namen ich vergessen habe. Trotz meiner Voreingenommenheit für die Talente anderer, die mir stets ein großes Mißtrauen gegen meine eigenen eingeflößt hat, konnte ich mich doch nicht erwehren, diese Musik schwach, schwunglos und unmelodisch zu finden. Ich wagte mir bisweilen zu sagen: Ich halte mich für fähig, besseres zu leisten. Allein die schreckliche Vorstellung, die ich von der Composition einer Oper hegte, und die Wichtigkeit, die ich Musiker einem solchen Unternehmen beilegen hörte, schreckten mich augenblicklich wieder ab und jagten mir die Schamröthe über die Kühnheit meines Gedankens auf die Wange. Wo hätte ich übrigens jemanden gefunden, der mir den Text geschrieben und sich die Mühe gegeben hätte, die Worte nach meinem Belieben hin und her zu wenden? Diese Gedanken an Musik und Opern tauchten während meiner Krankheit von neuem in mir auf, und in der Fieberhitze componirte ich Lieder, Duette und Chöre. Ich bin sicher, zwei oder drei Stücke di prima intenzione gemacht zu haben, vielleicht würdig der Bewunderung von Meistern, wenn sie die Aufführung derselben hätten hören können. Ach, wenn man die Träume eines Fieberkranken aufzeichnen könnte, welche große und erhabene Sachen würde man dann bisweilen aus seiner Raserei hervorgehen sehen!
    Diese Gedanken an Musik und Opern beschäftigten mich noch während meiner Genesung, wenn auch ruhiger. Da ich unaufhörlich und sogar wider meinen Willen daran denken mußte, wollte ich endlich darüber ins Klare kommen und es versuchen, für mich allein eine Oper zu schreiben, Worte und Musik. Es war keineswegs mein erster Versuch. In Chambery hatte ich eine tragische Oper unter dem Namen »Iphis und Anaxarete« geschrieben, die ich so vernünftig gewesen war, ins Feuer zu werfen. In Lyon hatte ich eine andere, »Die Entdeckung der neuen Welt«, gedichtet, die, nachdem ich sie Herrn Bordes, dem Abbé von Mably, dem Abbé Treublet und anderen vorgelesen hatte, dasselbe Ende nahm, obgleich ich bereits die Musik zum Prolog und zum ersten Akte vollendet und David mir, als er diese Musik sah, die Versicherung gegeben hatte, es befänden sich Stücke darin, würdig eines Buononcini.
    Ehe ich diesmal die Hand ans Werk legte, nahm ich mir die Zeit, über meinen Plan nachzudenken. Ich entwarf den Plan zu einem heroischen Ballet, in dem ich drei
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