Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse
Autoren: Jean Jacques Rousseau
Vom Netzwerk:
und der Freundschaft zurückgekommenes Herz seine höchste Seligkeit beschränkte. Nur mit Schrecken stellte ich mir die Arbeiten vor, die ich unternehmen, und das stürmisch erregte Leben, dem ich mich überlassen wollte, und wenn die Größe, die Schönheit und der gute Zweck des Gegenstandes meinen Muth belebten, benahm ihn mir wieder völlig die Unmöglichkeit, mit meiner Person erfolgreich einzutreten. Zwanzig Jahre tiefen Nachsinnens hätten mich weniger angegriffen als sechs Monate eines thätigen Lebens inmitten von Menschen und Geschäften und mit der Ueberzeugung, dabei keinen Erfolg zu erzielen.
    Ich verfiel auf ein Auskunftsmittel, welches mir geeignet schien, alles mit einander in Uebereinstimmung zu bringen. Aus allen meinen Zufluchtsstätten durch die heimlichen Ränke meiner geheimen Verfolger verscheucht, und nur noch in Corsika das Land erblickend, in dem ich auf Ruhe für meine alten Tage rechnen konnte, die sie mir sonst nirgends gönnen wollten, war ich entschlossen, mich nach den Anweisungen des Herrn Buttafuoco dorthin zu begeben, sobald sich mir die Möglichkeit dazu zeigen würde; aber um dort ruhig zu leben, wenigstens dem Anscheine nach auf die Arbeit an der Verfassung zu verzichten und mich, um mich meinen Wirthen für ihre Gastlichkeit einigermaßen dankbar zu erweisen, darauf zu beschränken, an Ort und Stelle ihre Geschichte zu schreiben, wobei ich mir vorbehielt, ganz im Stillen die nöthigen Forschungen anzustellen, um ihnen nützlicher zu werden, wenn sich mir die Gelegenheit zu einer erfolgreichen Wirksamkeit darbieten würde. Indem ich also zunächst keine Verbindlichkeit übernahm, hoffte ich im Stande zu sein, im Stillen und in größerer Gemächlichkeit einen Plan auszusinnen, der ihnen gefallen könnte, und zwar ohne allzu sehr meiner lieben Einsamkeit zu entsagen, oder mich in eine Lebensweise zu fügen, die mir unerträglich war und zu der ich keine Anlage besaß.
    Aber diese Reise war in meiner Lage keine leicht ausführbare Sache. Nach den Mittheilungen des Herrn Dastier über Corsika fand ich dort nicht die einfachsten Bequemlichkeiten des Lebens, wenn ich sie nicht mitbringen würde; Wäsche, Kleider, Geschirr, Küchengeräth, Papiere, Bücher, alles mußte man mit sich nehmen. Um mich mit Therese dort anzusiedeln, mußte ich die Alpen übersteigen und auf einer Fahrt von zweihundert Stunden einen ganzen Heereszug hinter mir herschleppen; ich mußte die Staaten mehrerer Souveraine durchkreuzen und bei dem in ganz Europa nach meinem Unglück gegen mich angeschlagenen Ton natürlich gewärtigen, überall Hindernisse zu finden und jedermann bereit zu sehen, es sich zur Ehre anzurechnen, wenn er mir irgend ein neues Weh bereitete und in mir alle Rechte der Völker und der Menschheit verletzte. Die grenzenlosen Kosten, die Beschwerden und Gefahren einer solchen Reise verlangten im voraus Berücksichtigung und ernstliche Erwägung aller Schwierigkeiten. Der Gedanke, mich schließlich allein, ohne Hilfsmittel in meinem Alter und fern von allen meinen Bekannten in der Gewalt dieses barbarischen und wilden Volkes, wie es Herr Dastier mir schilderte, finden zu können, war wohl geeignet, mich einen solchen Entschluß vor der Ausführung ernstlich überlegen zu lassen. Ich sehnte mich leidenschaftlich nach der Zusammenkunft, die mir Buttafuoco in Aussicht gestellt hatte, und wartete auf sie, um mich nach ihrem Ausfalle zu entscheiden.
    Während ich noch so schwankte, ereigneten sich die Verfolgungen zu Motiers, die mich zum Rückzuge zwangen. Auf eine lange Reise war ich nicht vorbereitet und namentlich nicht auf die nach Corsika. Ich wartete auf Nachrichten von Buttafuoco und nahm meine Zuflucht nach der Insel Saint-Pierre, von der ich, wie gesagt, beim Beginn des Winters vertrieben wurde. Die mit Schnee bedeckten Alpen machten mir diese Auswanderung für den Augenblick unausführbar, besonders bei der mir befohlenen Schnelligkeit. Die Uebertriebenheit eines solchen Befehls machte seine Ausführung allerdings unmöglich; denn mitten in dieser von Wasser eingeschlossenen Einsamkeit, wo mir von Einhändigung des Befehls an nur vierundzwanzig Stunden blieben, um mich zur Abreise zu rüsten und Boote und Wagen zum Fortkommen von der Insel und aus dem ganzen Staatsgebiete zu finden, das hätte ich kaum bewerkstelligen können, selbst wenn ich Flügel gehabt hätte. Ich schrieb dies dem Herrn Landvogt zu Nidau in Beantwortung seines Briefes und beeilte mich aus diesem Lande der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher