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Roth, Philip

Titel: Roth, Philip
Autoren: Nemesis
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herumrennen, wenn ihm nicht jemand sagt, dass er aufhören soll.«
    »Ich werde dafür sorgen, dass er eine Pause macht, wenn es ihm zu heiß wird. Ich werde auf ihn aufpassen.«
    »Oh, danke, danke. Wir sind alle so froh, dass Sie es sind, der die Aufsicht hat.«
    »Ich hoffe, ich bin eine Hilfe«, sagte Mr. Cantor. Eine kleine Gruppe hatte sich gebildet, während die beiden miteinander gesprochen hatten, und jetzt ergriff eine zweite Frau das Wort: »Warum kümmert sich das Gesundheitsamt nicht darum?«
    »Das fragen Sie mich?«, sagte Mr. Cantor. »Ja, das frage ich Sie. Über Nacht elf neue Fälle in Weequahic! Ein Kind ist schon gestorben! Ich will wissen, was das Gesundheitsamt unternimmt, um unsere Kinder zu schützen.«
    »Ich arbeite nicht für das Gesundheitsamt«, antwortete er. »Ich habe die Ferienaufsicht über den Sportplatz an der Chancellor Avenue School.«
    »Aber jemand hat gesagt, dass Sie vom Gesundheitsamt sind.«
    »Nein, bin ich nicht. Ich wollte, ich könnte Ihnen helfen, aber ich bin nur Lehrer.«
    »Wenn man beim Gesundheitsamt anruft«, sagte die Frau, »ist immer besetzt. Ich glaube, die haben einfach den Hörer neben den Apparat gelegt.«
    »Die Leute vom Gesundheitsamt waren da«, sagte eine andere Frau. »Ich habe sie gesehen. Sie haben an den Häusern, wo es einen Poliofall gegeben hat, Quarantäneschilder aufgestellt. Einer war in der Straße, wo ich wohne«, fuhr sie mit bekümmerter Stimme fort. »Und das Gesundheitsamt tut nichts!«, sagte jemand anders wütend. »Was unternimmt die Stadt dagegen? Nichts!«
    »Was kann man denn schon tun?«, sagte eine andere Frau. »Aber die müssen doch etwas tun können - sie tun es nur nicht!«
    »Sie sollten die Milch untersuchen - Kinderlähmung kommt von kranken Kühen und ihrer Milch.«
    »Nein«, sagte ein anderer, »es liegt nicht an den Kühen, sondern an den Flaschen. Die werden nicht richtig sterilisiert.«
    »Warum wird nicht alles ausgeräuchert?«, fragte jemand. »Warum setzen sie keine Desinfektionsmittel ein? Es müsste alles desinfiziert werden.«
    »Die sollten tun, was sie in meiner Jugend getan haben«, sagte jemand, »und den Kindern Kampferkugeln um den Hals hängen. Damals gab's was, das hieß Teufelsdreck und hat entsetzlich gestunken - vielleicht würde das helfen.«
    »Oder irgendwelche starken Chemikalien auf die Straßen streuen und alles wegspülen.«
    »Ach was - Chemikalien«, sagte ein anderer. »Das Wichtigste ist, dass die Kinder sich die Hände waschen. Sie müssen sich immer wieder die Hände waschen. Sauberkeit, Sauberkeit, Sauberkeit! Das ist entscheidend!«
    »Und das andere Wichtige ist«, warf Mr. Cantor ein, »dass Sie alle sich beruhigen und nicht in Panik geraten. Und vor allem die Kinder nicht mit Panik anstecken. Es ist wichtig, dass alles in ihrem Leben so normal wie möglich bleibt und dass Sie ruhig und vernünftig mit ihnen reden.«
    »Aber wäre es nicht am besten, wenn sie einfach zu Hause bleiben würden, bis das alles vorbei ist?«, fragte ihn eine andere Frau.
    »Zu Hause ist es doch am sichersten. Ich bin Richard Tulins Mutter. Richard verehrt Sie, Mr. Cantor«, sagte sie. »Alle Jungen verehren Sie. Aber wäre es nicht besser für Richie und für alle anderen Jungen, wenn Sie den Sportplatz einfach schließen würden und sie zu Hause blieben?«
    »Aber ich kann den Sportplatz nicht schließen, Mrs. Tulin. Das kann nur der Schulrat.«
    »Bitte glauben Sie nicht, dass ich Sie für irgendetwas verantwortlich mache«, sagte sie. »Nein, nein, ich weiß, dass Sie das nicht tun. Sie sind eine Mutter, und Sie machen sich Sorgen. Ich verstehe Ihrer aller Besorgnis.«
    »Unsere jüdischen Kinder sind unser Reichtum«, sagte jemand. »Warum fällt diese Krankheit so über unsere schönen jüdischen Kinder her?«
    »Ich bin kein Arzt, ich bin kein Wissenschaftler. Ich weiß nicht, warum sie jemanden befällt. Ich glaube, das weiß niemand. Darum versucht jeder herauszufinden, wer oder was daran schuld ist. Man will herausfinden, was dafür verantwortlich ist, damit man es vernichten kann.«
    »Aber was ist mit den Italienern? Es müssen diese Italiener gewesen sein!«
    »Nein, nein, das glaube ich nicht. Ich war ja dabei. Sie hatten keinerlei Kontakt mit den Kindern. Es waren nicht die Italiener. Sie dürfen sich nicht vor Angst und Sorgen verzehren. Es ist wichtig, dass Sie Ihre Kinder nicht mit der Angst infizieren. Glauben Sie mir: Wir werden es überstehen. Wenn jeder seinen Beitrag leistet und
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