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Roter Hibiskus: Roman (German Edition)

Roter Hibiskus: Roman (German Edition)

Titel: Roter Hibiskus: Roman (German Edition)
Autoren: Katherine Scholes
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Stoffballen – Seide in allen Regenbogenfarben, mit Metallfäden durchwirkt – stapelten sich an den Wänden. Die Binsenmatten auf dem Boden waren übersät von Garn, Stofffetzen und Schnittmustern.
    »Ich weiß alles über den Adel«, sagte Bina. Sie ließ sich auf einen breiten Stuhl nieder und wartete, bis Mara sich die Hände in dem Becken in der Ecke gewaschen und sich ebenfalls hingesetzt hatte. Dann rief sie in Richtung einer anderen Tür etwas auf Hindi. »Meine Verwandten in Udaipur haben viele Generationen lang im Palast gearbeitet. Das ist mein Rat Nummer zwei – dein Personal muss einen guten Eindruck machen.« Sie griff in eine Schale voller Knöpfe, die auf Pappkarten genäht waren. »Nimm ein paar davon mit und weise alle an, fehlende Knöpfe zu ersetzen. Sie müssen natürlich passendes Garn nehmen.«
    Ein Kind erschien mit einem Tablett, auf dem zwei Gläser chai und eine Platte mit samosas, garniert mit Limettenscheiben, standen. Mara lief das Wasser im Mund zusammen, als sie die kleinen, goldbraun gebratenen Teigdreiecke sah. Sie wusste, sie enthielten gehacktes Fleisch und Erbsen, gewürzt mit garam marsala, Chili und frischem Koriander. Dankbar lächelte sie Bina an.
    »Das ist dein Lieblingsgericht«, erklärte die Inderin. »Du musst viele davon essen, du bist zu dünn.«
    Mara schwieg. Sie wusste, wie stolz Bina auf ihr braunes Fleisch war, das zwischen ihrem Sari-Rock und ihrem kurzen, engen Mieder hervorquoll – sie war sich absolut sicher, dass ihr Mann sie nur deswegen geheiratet hatte. Sie und Mara würden nie einer Meinung sein über den idealen weiblichen Körper.
    Um das Thema zu wechseln, öffnete Mara ihre Tasche und zog eine Ausgabe von Woman’s Day heraus. Nachdem Carlton weggefahren war, hatte sie sämtliche alten Zeitschriften durchgeblättert, die die Kunden in der Lodge zurückgelassen hatten, bis sie schließlich eine Fotografie von Lillian Lane gefunden hatte. Sie zeigte sie auf dem Deck einer Luxusyacht, Arm in Arm mit einem gutaussehenden Mann. Obwohl das Bild nur klein war, hatte Mara das Gesicht sofort erkannt.
    Sie schlug die Zeitschrift auf der entsprechenden Seite auf und reichte sie Bina.
    »Das ist sie«, sagte Mara. »Das ist die Schauspielerin, die nach Raynor Lodge kommt.«
    Bina seufzte bewundernd. »Sie ist sehr, sehr schön! Und schau dir das Schiff an. Und den Mann!« Kritisch legte sie den Kopf schräg. »Sie ist auch zu dünn. Was gibst du ihr zu essen? Was essen Amerikaner denn?«
    Mara zuckte mit den Schultern. »Bei uns gibt es immer englisches Essen, und jeder scheint damit zufrieden zu sein.« Über das Essen machte sie sich keine Gedanken. Noch nie hatte sich jemand über Meneliks Kochkünste beklagt. Seine Gerichte waren einfach, aber von hoher Qualität. Und falls die Kunden das nicht genug würdigten, erwähnte Mara – meistens noch bevor die erste Mahlzeit aufgetragen wurde – den Namen der Baronin, die für Meneliks Ausbildung und Rezepte verantwortlich war.
    Bina wirkte nicht sonderlich überzeugt. »Sie haben wahrscheinlich ihre eigenen amerikanischen Gerichte«, sagte sie. »Wie lange bleiben sie?«
    »Zwei Wochen«, erwiderte Mara.
    »Zwei Wochen! Das ist eine lange Zeit. Viele Mahlzeiten«, meinte Bina.
    Mara legte ihr samosa wieder auf den Teller. Sie spürte die wachsende Anspannung und hatte keinen Hunger mehr.
    »Ich weiß, was du tun musst.« Bina nickte weise. »Du musst spezielle Abende geben. Internationale Festessen. In Arusha gibt es einen hervorragenden indischen Koch – er kommt natürlich aus Gujarat. Ich werde ihm Bescheid sagen.«
    »Nein! Das geht nicht«, wandte Mara ein. »Menelik würde nie zulassen, dass ein anderer Koch seine Küche betritt. Du weißt doch, wie er ist.«
    Bina schürzte die Lippen. Mara wusste, dass die Ladenbesitzerin und der Koch nicht gut miteinander auskamen. Wenn Menelik hier einkaufte, weigerte er sich, auf Binas schlechtes Swahili zu antworten, und bestand darauf, mit ihr Englisch zu reden. Er behandelte die Inderin mit der gleichen offenen Verachtung, die sie für die Afrikaner hegte.
    »Du könntest ihm eine Lektion erteilen«, sagte Bina. Dann zuckte sie mit ihren rundlichen Schultern. »Na ja, es geht dich ja nichts an.« Das war einer ihrer Lieblingssätze – damit veränderte sie den Verlauf jedes Gesprächs, auch wenn das fragliche Thema den anderen sehr wohl etwas anging. Sie lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und musterte kritisch Maras Khaki-Arbeitskleidung. »Du willst also ein
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