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Roter Herbst - Kriminalroman

Roter Herbst - Kriminalroman

Titel: Roter Herbst - Kriminalroman
Autoren: Gmeiner-Verlag
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sein früheres Leben wieder ein und zog ihn in einen Mordfall hinein. ›Man trägt sein Leben in sich‹, hatte sein Arzt gesagt. ›Davor kann man nicht davonlaufen.‹ Er verstaute seinen Penis in der Hose und zog den Reißverschluss hoch. Er fühlte sich sonderbar erleichtert, als er weiterging.
    Die Gedanken in seinem Kopf beruhigten sich, und ehe er es sich versah, war er am Ende des befestigten Weges angelangt. Als er die ersten Häuser des Dorfes erreicht hatte, dort, wo sein Auto geparkt war, war ihm endgültig klar, dass er mehr über den Toten und die Umstände seines Todes wissen wollte. Es war, als gäbe es da eine geheime Verbindung zu dem Mann im Baum, eine Verbindung, die er allerdings selbst nicht so recht fassen konnte. Wieder wischte er den Gedanken energisch weg. Das war blanker Unsinn. Natürlich war es sinnvoll, die Aufklärung des Falles der Kollegin zu überlassen. Warum er damit nicht zufrieden war, wusste er nicht zu sagen. Es war auf jeden Fall nicht der Wunsch, eine ohnehin brüchige Ordnung wiederherzustellen. Dessen war er sich sicher. Das hatte ihn früher getrieben. Vielleicht war es ja diesmal wirklich nur reine Neugier. Eine Neugier, die jedoch tief aus seinem Innern kam.
    Was Marianne wohl dazu sagen würde? Es war eigenartig, dass er ausgerechnet in diesem Augenblick an sie denken musste.
    Er hatte sein Auto vor einem kleinen Gasthof geparkt. Als er am Nachmittag dort angekommen war, hatte er gar nicht darauf geachtet. Jetzt stellte er plötzlich fest, dass er einen Bärenhunger hatte, und er beschloss, ehe er weiterfuhr, einzukehren und sich mit einem Abendessen zu stärken.

3
    Amanda Wouters saß zurückgelehnt auf ihrem Wipp-Sessel im Büro der Mordkommission. ›Kommissariat für Tötungsdelikte‹ stand auf einem Schild an der Tür, die halb offen stand. Sie hatte ihre Schuhe abgestreift und die Beine hochgelegt. Angeblich sollte das gut sein, wenn man zu Krampfadern neigte, was bei ihr allerdings nicht der Fall war. Es gab jedoch Momente, in denen sie diesbezüglich nicht so ganz sicher war, wenngleich, wie sie zu wissen glaubte, genetisch nichts zu befürchten stand. Aber schaden würde es nicht, und außerdem konnte sie in dieser Lage am besten nachdenken.
    Ihre Gedanken wanderten zu dem Mann im Moor, der auf so unerquickliche Art und Weise sein Leben hatte lassen müssen. Sie schüttelte sich. Die Bilder, die vor ihren Augen erschienen, hatten etwas ungemein Ekelerregendes und Abstoßendes.
    Nachdem man den Baum gefällt hatte, war sie ganz nahe an die Leiche herangetreten, die noch immer festgeklemmt im hohlen Stamm gesteckt hatte. Sie hatte nach Hinweisen gesucht, die Rückschlüsse auf die Art, wie der Mann getötet worden war, hätten geben können, doch sie hatte nichts erkannt. Aber sie hatte den Geruch der Leiche wahrgenommen. Einen Geruch nach Moder und langsam einsetzender Verwesung. Und nach totem Holz. Der Geruch unterschied sich kaum von dem des Moores, hatte sie gedacht.
    Nur die abgeschnittenen Gliedmaßen waren bislang Zeugnis, dass es ein gewaltsamer Tod war. Amanda Wouters hatte in der Dunkelheit versucht, die Gesichtszüge des Mannes genauestens zu studieren, und angewidert in die leeren Augenhöhlen geblickt. Ein altes Gesicht, hatte sie gedacht. Jemand, der sein Leben nahezu bis zur Neige ausgekostet hatte. Warum hatte man ihm die wenigen Jahre, die ihm vielleicht noch geblieben wären, auf solch brutale Art und Weise genommen?
    Amanda fühlte sich plötzlich unwohl, und wie immer in solchen Situationen griff sie auf den einzigen Trost zurück, den sie hatte, und ließ es zu, dass sich ihre Gedanken aus dem trüben Büro entfernten und in träumerisch klare Weiten erhoben. Wie bunte Vogelschwärme auf dem Flug nach Süden zogen sie über zerklüftete Gebirge und blaue Wasser hin zu einer kleinen Stadt in Afrika, in der die Farben unter dem Staub auf unbeschreibliche Weise hervorleuchteten und die Sonnenstrahlen durch sämtliche Poren des Körpers zu dringen schienen. Sie dachte an armselige Lehmhütten und geduckte Häuser, die in der glühenden Hitze flimmerten. Dann schloss sie die Augen und mit einem Mal spürte sie, wie warme, kräftige Hände über ihren Körper glitten und sie ohne Zaudern dort liebkosten, wo sie es am liebsten hatte. Sie konnte nicht verhindern, dass sie leise stöhnte.
    Als Ada Slencka, die Sekretärin aus der Anmeldung, ins Zimmer trat, hatte sie die Augen schon wieder geöffnet und Afrika war bereits weit weg. Dennoch blickte
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