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Rot wie Schnee

Rot wie Schnee

Titel: Rot wie Schnee
Autoren: dtv
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auf und drehte sich weg. Die sorgfältig aufgestapelten Holzscheite an der anderen Wand erinnerten ihn an den offenen Herd zu Hause und wie die Mutter mit Reisig das Feuer entfachte.
    Wie sie wortlos Teig knetete und einen Stapel Tortillas buk, die sie in ein Tuch einschlug, wie sie das Chili hervorholte und Wasser für Kaffee aufkochte. Manuel meinte, das Prasseln des Feuers zu hören.
    »Wir rufen an«, sagte Manuel plötzlich. »Drüben im Haus ist ein Telefon.«

|402| 63
    D er Nordwind schob Eva förmlich über das ebene Land mit den Feldern links und rechts. Trotzdem wünschte sie, sie hätte den Bus genommen. Bei Lilla Ultuna hatte er sie überholt.
    Sie radelte mit einer solchen Wut im Bauch, dass sie binnen weniger Minuten die Ebene hinter sich ließ und durchgeschwitzt nach Kuggebro kam, wo sie das Tempo etwas zurücknehmen musste. Dann ging es bergan, erst die lange Steigung an Vilan vorbei und dann noch ein deutlich steileres Stück bis nach Hause.
    Um zehn Uhr hatte sie angerufen. Hugo hatte abgenommen. Eva hatte darauf bestanden, auch mit Patrik zu sprechen, um sich zu vergewissern, dass er da war. Jetzt beherrschte sie nur ein Gedanke: die Jungs in ihren Betten zu sehen.
    Auf dem Küchentisch standen eine Thermoskanne mit Tee und ein Teller mit ein paar Keksen für sie bereit, und Hugo hatte ihr einen Zettel geschrieben, er wünschte ihr gute Nacht.
    Sie schliefen. Patrik lag auf dem Rücken und schnarchte leise, Hugo lag auf dem Bauch und hatte die Arme ausgestreckt.
    Eva kehrte in die Küche zurück, hängte ihre Jacke über den Stuhl, trank eine Tasse Tee und knabberte an einem Keks. Die Begegnung mit Manuel hatte sie aufgewühlt. Die Gefühle reichten von Erstaunen bis zu Wut und Wehmut. Sein Streicheln und der flüchtige Kuss hatten sie wie paralysiert.
    Sein Geschenk fiel ihr ein, und sie nahm den Strumpf aus der Tasche und schüttelte den Inhalt heraus. Es war ein fest zusammengerolltes Bündel Geldscheine, um das ein zerknitterter Zettel gelegt war.
    Sie entfaltete einen Geldschein, das waren hundert Dollar, |403| und zählte das Bündel schnell durch. Auf ihrem Küchentisch lagen fünfzig Hundertdollarnoten. Sie wusste zwar nicht, wie viel Kronen der Dollar genau wert war, begriff aber sofort, dass sie um die zehntausend Kronen bekommen hatte.
    Sie starrte auf den Zettel mit Manuels Anschrift und der Telefonnummer seines Nachbarn. Der nette Nachbar.
    Ehe Eva zu Bett ging, zählte sie die Scheine noch einmal, dann stopfte sie das Geld in einen alten Briefumschlag der Versicherung und versteckte ihn im Besenschrank.
    Obwohl sie total erschöpft war, konnte sie nicht einschlafen.
    »Manuel«, flüsterte sie im Dunkeln. In gewisser Weise bereute sie, ihn gewarnt zu haben. Wenn er nach Arlanda gefahren und von der Polizei festgenommen worden wäre, hätte man ihn vor Gericht gestellt und vielleicht von der Mordanklage freigesprochen. Es war ja nicht auszuschließen, dass Armas   … Sicher würde der Bruder wieder ins Gefängnis kommen, aber Manuel   … Wenn er nun verurteilt würde, den Tod eines anderen Menschen verschuldet zu haben, oder wie das nun hieß   …
    »Hör jetzt auf«, sagte sie laut. Die Gedanken wirbelten ihr durch den Kopf, aber sie kam zu keinem Ergebnis. Einerseits wollte sie, dass er festgenommen würde, andererseits wollte sie es nicht. Das Erschreckende war, dass sie ihn so gut verstand. Er hatte einen Bruder verloren, und der andere war zu einer langen Gefängnisstrafe verurteilt worden. Selbstverständlich versuchte Manuel, ihn außer Landes zu bringen! Wie hätte sie selbst sich verhalten, wenn Hugo oder Patrik in Mexiko im Gefängnis säßen? Würde sie nicht alles tun, um sie zu befreien – unabhängig davon, wie die Anklage lautete?
    Nachdem sie alle altbekannten Tricks versucht hatte und trotzdem nicht einschlafen konnte, stand Eva wieder auf und ging in die Küche. Die Wanduhr zeigte halb drei. Sie nahm |404| Milch aus dem Kühlschrank und wärmte sie in der Mikrowelle. Immer wieder wanderte ihr Blick zum Besenschrank. Noch nie in ihrem Leben hatte sie so viel Bargeld besessen. Sie konnte reisen, wohin sie wollte. Himmel, wie würde Helen vor Neugier platzen! Aber konnte sie das Geld denn behalten? Woher hatte er fünftausend Dollar?
    Sie trank die Milch aus, die schon wieder kalt wurde, stand auf und ging zum Wandkalender. Wann hatten die Jungs Herbstferien? Irgendwann um Allerheiligen, aber in der Woche davor oder danach? Der Blick wanderte weiter zum
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