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Rot wie eine Braut: Roman (German Edition)

Rot wie eine Braut: Roman (German Edition)

Titel: Rot wie eine Braut: Roman (German Edition)
Autoren: Anilda Ibrahimi
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wie ein Kind benehmen, das sie noch ist, würde jammern, weinen und verzweifelt Schutz bei ihm suchen.
    Aber die Bitte um Hilfe kommt nie, und nach einiger Zeit gewöhnt sich Omer daran.
    Sabas Elternhaus ist aus weißem Stein gebaut, wie alle Häuser im Dorf. Nur das Dach ist anders. Ihre Mutter Meliha wollte ein rotes. Es sind harte Zeiten, und die meisten Leute haben wichtigere Dinge im Kopf als die Farbe der Dachziegel. Aber sie wollte es rot haben, rot wie die Farbe der Bräute. Wer weiß, wo sie ein solches Dach gesehen hat, vielleicht in der Stadt. Ihr Mann legt keinen Wert darauf, es zu erfahren: Seine geliebte Frau möchte ein rotes Dach? Dann soll es rot sein!
    Unter diesem roten Dach hat Meliha all ihre Kinder verheiratet. Die Mädchen hat sie nicht so weit fortgegeben, so kann sie sie wenigstens sehen, wenn sie möchte, und falls nötig, behilflich sein. Sie hat anständige Familien ausgesucht, zumindest darüber kann sich niemand beschweren. Und die Schwiegersöhne? Woher soll sie wissen, ob sie anständig sind oder nicht? Es sind Männer wie alle, was zählt, ist die Familie.
    Um die Jüngste tut es ihr ein bisschen leid, aber am Ende wird auch sie sich zufriedengeben. Sie wird Kinder bekommen und keine Zeit mehr haben, die Jahre zu zählen, die sie von ihrem Ehemann trennen. Sei’s drum. Natürlich wird er früher altern, aber ist es nicht letztlich das Fleisch, das altert? Ein Ehemann ist schließlich kein Schlachtvieh, und was bringt es schon, jung zu sein … Immerhin wird er reifer sein …
    Aber an dieser Stelle enden Melihas Überlegungen, sie ist nicht ganz überzeugt. Ach ja, die Mädchen kommen bereits mit einer großen Bürde zur Welt. Eines hätte genügt, aber fünf? Zum Glück ist sie jetzt frei.
    Meliha umarmt ihre Tochter, die durch das Holztor tritt. Sie gibt dem Schwiegersohn die Hand, dann führt sie alle in das große Zimmer für die Gäste. Dort sitzen ihre Söhne, Gott möge sie beschützen, mit dem Rücken zur Wand auf den Minder und warten. Ihr Ehemann Habib, der Arme, hat so früh die Augen geschlossen, aber er hat ein volles Haus zurückgelassen.
    Saba geht mit den Schwestern, Schwägerinnen und Kindern in das Zimmer für die Frauen. Nur die Mutter isst gemeinsam mit den Männern zu Abend. Der Dritte ist fast wie eine Hochzeitsfeier, er ist das Siegel dieser Feier. Es ist gutgegangen, denken alle, die Braut war, wie sie sein sollte. Der Bräutigam ist immer so, wie er sein sollte, sagen sie. Er wäscht sich mit einem Krug Wasser und ist wieder rein, aber für die Braut würden alle Flüsse der Welt nicht genügen.
    »Wie findest du die Ehe? Hat es dir gefallen?«, wird Saba von ihrer Schwester Bedena gefragt.
    Alle schauen die Braut an und fangen an zu lachen. Sie errötet.
    »Geduld, Geduld, das ist nur der Anfang«, sagt Esma, eine andere Schwester. »Die Würze kommt später … je weiter die Jahre voranschreiten, desto besser wird es dir schmecken …«
    Eine Schwester fehlt, Afrodita, aber ihr wird die Abwesenheit bei dem Familientreffen verziehen. Sie ist ganz anders als sie alle. Afrodita wohnt schon seit Langem in der Hauptstadt, und diese Anlässe haben für sie keine Bedeutung mehr.
    Das Abendessen verläuft fröhlich, wie immer, wenn die Frauen unter sich sind.
    Heute Abend schläft die Braut bei der Mutter. Zu Hause teilt sie das Bett mit dem Ehemann, wird es ihr ganzes Leben lang mit ihm teilen. Unter dem Dach des Elternhauses kann sie auf seine Umarmung verzichten. Wenn es nach ihr ginge, würde Saba für immer darauf verzichten.
    Die Mutter betritt das Zimmer und sieht sie auf der Bettkante sitzen. Sie ist klein, diese Tochter, sie ist noch so klein. Sie setzt sich ebenfalls und schweigt. Was könnte sie fragen, was sie nicht ohnehin schon weiß?
    Saba zieht sich langsam die bunten Kleider aus und legt alles auf die Truhe zu Füßen des Bettes. Es ist die Truhe, die Sultana gehörte. Sieben Tage nach ihrem Tod hat Omers Familie die Aussteuer zurückgebracht. Alles verschlossen in dieser Truhe. Die Kleider, die Sultana zu den Festen, den Geburten der Kinder und den Beerdigungen der Alten getragen hätte. Alles in einer Truhe: Der Anblick und die Farben, die das Leben haben sollte, sind dort drin verschlossen.
    Meliha erhebt sich und schiebt die Kleider beiseite. Dann öffnet sie langsam die Truhe. Der Geruch von Quitten durchdringt den Raum. Diese Früchte riechen nicht nur gut, sie sind auch unglaublich lange haltbar, bis zur nächsten Saison. Die Zeit, um die
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