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Rot Weiß Tot

Titel: Rot Weiß Tot
Autoren: Bernhard Salomon
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verschrobener Verlagslektor, der verzweifelt die Welt seiner Jugendbücher Wirklichkeit werden lassen wollte. Ein Mann, der über die Reinheit der Idee philosophierte und verdrehten Künstlermythen nachhing. Wo blieb eigentlich Bergmann?
    »Was wollen Sie von mir?«, fragte er.
    »Sie sollen verstehen, was Kunst ist.«
    Schon wieder.
    »Kunst? Sie sind krank. Stellen Sie sich. Man wird Sie behandeln. Ihr Leben kann noch schöner als je zuvor werden. Sogar hinter Gittern.«
    Der von Gregoritsch angekündigte Gendarm näherte sich Albins Wagen. »Ganz ruhig«, sagte der Lektor. »Und legen Sie nicht auf. Ich will Sie hören.«
    Albin klappte das Fenster hoch. Der Beamte grüßte mit den Fingern an der Kappe wie bei einer routinemäßigen Fahrzeugkontrolle. »Mein Name ist Albin Fischer«, sagte Albin. »Ihr Einsatzleiter weiß Bescheid.«
    »Wie heißt unser Einsatzleiter?«
    »Habe ich vergessen.«
    »Ich verstehe.«
    Der Gendarm schien zu denken, dass er eben im Alleingang das Rätsel um die Heidentor-Morde gelöst hatte.
    Albin musste sich beherrschen. Uniformierte waren ein Volk von saublöden, aufgeblasenen Vollidioten, die grundsätzlich nur Mist bauten. Mit ihnen in Berührung zu kommen war schlimmer als Mundfäule, Tripper und Filzläuse zusammen. Irgendwann würde er seine freundliche und zurückhaltende Art aufgeben, mit der er seine Vergangenheit vergessen zu machen versuchte. Dann würde er einem von diesen Beamten seine Meinung sagen. Auch wenn er noch einmal drei Jahre dafür einsitzen würde.
    Der Gendarm sprach in sein Funkgerät und beobachtete Albin mit der Hand an der Dienstwaffe. Albin starrte geradeaus. Beim Heidentor sah er eine graue Gestalt zwischen den Säulen. Gregoritsch.
    »Alles klar«, sagte der Beamte mit unverhohlener Enttäuschung. »Sie sind der Bursche, der alles hier ausgelöst hat. Ich hoffe, Sie zahlen bei falschem Alarm auch die Rechnung.« Offenbar wollte er Albin kräftig in die Mangel nehmen, wenn es hier nicht gleich ein mittleres Gemetzel gab.
    Gregoritsch winkte von der Ruine her. Albin unterbrach trotzdem die Verbindung und wählte noch einmal Sarahs Nummer. Diesmal wurde abgehoben. Gregoritsch. »Gratuliere«, sagte der Lektor. »Das war Anruf Nummer 89. Sie sind wirklich hartnäckig. Sie werden einmal ein hervorragender Journalist. Vielleicht sogar ein großartiger Autor.«
    »Ich will gar kein Autor werden. Wie kommen Sie auf diesen Blödsinn?«
    »Jeder will das.«
    »Wo ist Sarah, Sie Psychopath?« Eben hatte sich Albin noch für eiskalt gehalten. Jetzt schrie er auf einmal. Der Gendarm blickte zurück, als wäre er nicht sicher, ob er etwas gehört hatte.
    Gregoritsch tat gekränkt. »Sie dürfen nicht glauben, dass mir solche Beleidigungen gleichgültig sind.«
    Albin rang um seine Beherrschung. Er musste Zeit gewinnen, Gregoritsch beobachten und herausfinden, wo Sarah war. Für beides war es zweckmäßig, den Lektor in ein Gespräch zu verwickeln. Bisher war ihm das nie schwer gefallen. Ein kleiner Anstoß, und der Mann plapperte wie ein Wasserfall. »Reden wir«, sagte er »Erst, wenn Sie sich entschuldigt haben.«
    »Psychopathie ist eine Anomalie der Persönlichkeit im Fühlen, Wollen oder im Triebleben«, sagte Albin, der das von Sarahs Psychologie-Studium wusste. »Im Zusammenhang mit einem Serienmörder Ihres Schlages würde ich diesen Begriff höflich nennen.«
    »Als Nächstes bezeichnen Sie meine Kunst als entartet.“
    »Lassen Sie das mit der Kunst. Sie sind ein Mörder und Entführer. Nichts weiter.«
    »Menschen, die Grenzen der Kunst definieren und Künstler als Psychopathen bezeichnen, waren schon immer die gefährlichsten der Weltgeschichte.«
    Albin riss sich zusammen. »In Ordnung. Dann erklären Sie mir die Kunst.« »Sie lässt sich nicht erklären. Man kann sie nur erfahren.«
    »Reden wir über Ronald Markovics.«
    »Sein größtes Problem war sein Alter. Er dachte, er würde sein Leben verpassen. Das ist normal mit fünfundvierzig, nur wurde er einfach nicht fertig damit. Er beneidete seinen Kollegen Stern um den Ausstieg. Er fühlte sich danach wie ein Sitzenbleiber. In dieser Stimmung tat er, was er längst hätte tun sollen: Er fing einen Roman an. Auf einmal wusste er, wieso das Schwein mit der aufgeschlitzten Kehle auf der Luftmatratze lag.«
    »Ein Mensch mordet, um die Abgestumpftheit der Welt zu durchdringen.«
    »So ist es.«
    »Was hat das mit Ihnen zu tun?«
    »Marko suchte Zeit und Ruhe für die Arbeit. Dabei habe ich ihm
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