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Rosen für eine Leiche (German Edition)

Rosen für eine Leiche (German Edition)

Titel: Rosen für eine Leiche (German Edition)
Autoren: Hannsdieter Loy
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Lange Abende, alle paar Stunden Leberkässemmeln und
literweise Kaffee. Sicher, der Zeitdruck war lange nicht so stark, als wenn
jemand entführt und tagelang vermisst wird. Den Unbekannten aus dem Kahn konnte
schließlich nichts mehr zustoßen. Mord und Selbstmord, das war der vorläufige
Stand der Rechtsmedizin. Ob ich wollte oder nicht, Chili hielt mich auf dem
Laufenden.
    Als ich das Tor an der Tiefgarage in Neubeuern runterzog und mich
gerade in den Porsche setzen wollte, kam Frau Steiner angerannt und hielt mir
das Oberbayerische Volksblatt unter die Nase. Der Motor blubberte leise vor
sich hin, ich stellte ihn ab. Trotz der Morgenhitze trug die Steinerin eine
Strickjacke über dem geblümten Kleid.
    »Das ist ja schrecklich, Herr Otterling, so ein junges, schönes Ding
schießt man doch nicht tot. Mitten in die Stirn geschossen. Auf dem Bild sieht
man aber davon gar nichts.« Sie fuhr mit dem Zeigefinger über das
Schwarz-Weiß-Fahndungsfoto. Natürlich war das Bild retuschiert, die Wunde sah
man nicht. »Wissen Sie, was ich glaub? Nein? Ich glaub, der Kerrl« – mit
zwei r gesprochen – »war einfach zu alt für sie. Und wie das so ist
im Leben, ich hab auch mal was mit einem Älteren gehabt, ich weiß, wovon ich
sprech. Da lacht sich einer diese Kleine an, einer, der wo so alt ist wie sie
selbst. Ihr altertümlicher Typ daheim wird eifersüchtig, und bevor sie ein
anderer kriegt, bringt er sich selber um und nimmt sie mit. Ist das nicht
schrecklich?«
    Ich startete den Motor wieder und fuhr vorsichtig an. Wäre mein
Wagen ein Lkw gewesen, wäre die Steinerin unter die Vorderräder geraten. So
aber fuhr ich nur sanft gegen ihren Hintern, und der war gut gepolstert. Sie
fuchtelte weiter mit der Zeitung umher und hüpfte zur Seite, als der Kies
aufspritzte.
    Mitunter sind ein Muttermal, eine Tätowierung oder ein
reparierter Zahn für die Feststellung der Identität und die Aufklärung eines
Verbrechens hilfreicher als alles Wissen um die menschliche Seele. Das gilt
schon gleich, wenn die Seele aus dem Körper gewichen ist. Deshalb war man jetzt
wohl dabei, alle verfügbaren Angaben über die unbekannten Leichen – Alter,
Größe, Schuhgröße, Haarfarbe und -dichte, Augenfarbe, Länge des Penis und
Zustand des Afters – mit den Daten in den Computersystemen der
Landeskriminalämter und in zweiter Stufe in denen des Bundeskriminalamtes zu
vergleichen.
    In beiden Fällen, berichtete Chili, waren die Ergebnisse gleich
null. Das hieß nicht mehr und nicht weniger, als dass die beiden Personen
nirgendwo als vermisst gemeldet worden waren und dass sie bisher nie
erkennungsdienstlich behandelt wurden.
    »Stell dir vor«, sagte Chili und schob mit dem runden Ende ihres
Kugelschreibers ein Farbfoto auf Mattpapier vor mich hin. »Schau dir die doch
einmal an.«
    Wir saßen beim »Schlosswirt« in Neubeuern im Garten. Das Innere des
Lokals war voll besetzt mit durstigen, scheppernden Touristen. Starker Regen
hatte eingesetzt, aber der konnte uns auch draußen nichts anhaben. Die Blätter
der gewaltigen Linden waren so dicht, als würden wir unter einer soliden Kuppel
sitzen. Selbst vor den Böen, die den Regen heftig gegen Haus und Fenster
warfen, waren wir halbwegs sicher. Herr Huber hatte sich unter dem Tisch
zusammengerollt und den Schwanz zwischen die Hinterbeine gezogen. Neben den
Dohlen, die über uns krächzten, als stünden sie kurz vorm Herztod, waren wir
die Einzigen, die sich draußen aufhielten.
    Ich winkte ab. Schaute demonstrativ von dem Foto weg.
    Doch Chili schlug mit der flachen Hand darauf. »Schau hin«, sagte
sie noch einmal. »Stell dich gefälligst nicht so an!«
    Ich gehorchte.
    Das Foto zeigte die beiden Toten im Kahn, so wie wir sie gefunden
hatten. Er mit dem weißen Haarkranz, sie mit dem bläulichen Lidschatten.
    »Er ist circa fünfundsechzig, sie muss um die dreißig sein«, sagte
Chili. »Sie hat eine blaue Tätowierung auf der linken Pobacke, eine kleine,
fein ziselierte Rose. Das recherchieren wir noch. Die einzigen Fingerabdrücke
auf der Waffe sind seine. Er scheint wirklich erst sie und dann sich selbst
erschossen zu haben. Die Pathologie bestätigt uns das. Aber wir haben immer
noch kein Projektil gefunden.«
    »Was ist mit dem Wasser in der Lunge?«, fragte ich.
    »Ja«, sagte sie. »In der Lunge war zwar Wasser. Beide Lungenflügel
waren halb voll mit Wasser. Doch der Mann ist nicht daran gestorben. Da sind
sie sich sicher in der Frauenlobstraße. Todesursache ist der
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