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Rosa

Rosa

Titel: Rosa
Autoren: Felix Thijssen
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hatte. Sie zog das Kleid an, kämmte sich die Haare und nahm ihren Mantel von der Garderobe.
    Die Kaffeemaschine blubberte. Victor stand vor dem Büfett. Die Schublade war offen und er hielt drei Hundert-Euro-Scheine in der Hand. In der anderen Hand hatte er etwas, das er von Nahem anstarrte. »Ein neuer Freund?«
    »Pfoten weg von meinem Geld!« Betty ging wütend drei Schritte auf ihn zu, warf ihren Mantel über eine Stuhllehne und riss ihm die Scheine aus der Hand.
    »Alter Schick. Jede Menge Antiquitäten im Haus, wetten?« Er hielt ihr die Visitenkarte vor die Nase. Sie kniff die Augen zusammen.
    »Sagt mir nichts. Bist du wieder blank?«
    »Eine kleine Spende ist immer willkommen.«
    Sie zog ihm die Karte aus den Fingern, legte alles zurück in die Schublade und schloss sie mit einem Knall. Davor, sie zu bestehlen, würde er gerade noch zurückschrecken, aber ansonsten konnte man Victor so wenig vertrauen wie einem Skorpion. Einmal musste sie ihn mit Gewalt abwehren, als er eine Situation, in der sie ihn tröstete, auszunutzen versuchte, nach dem Motto, die Adeligen trieben es doch auch alle mit ihren Nichten und Halbschwestern. Vor drei Jahren, nach seinem Unfall, hatte sie geglaubt, er habe sich geändert, sei nun weniger grob und egoistisch, doch das war nur eine vorübergehende Fassade gewesen, weil er sie gebraucht hatte. Jetzt war er wieder genauso schlüpfrig wie zuvor.
    Victor fragte: »War dein Journalist wieder da?«
    Manchmal hatte sie Angst vor ihm. Das lag an seinen Augen, die in unbeobachteten Momenten aussahen, als fehle in ihnen etwas oder, im Gegenteil, als liege zu viel darin, ein verstohlenes Glitzern, als sei das Gehirn dahinter eine Maschine, die seit seinen Kinderjahren versuchte, auf Touren zu kommen, eine Zeitbombe mit verborgener Uhr, die auf ein plötzliches Zeichen hin eine Explosion der Hysterie oder Gewalt auslösen würde. Manchmal war er wie ein Fremder, kalt und bösartig, aber im nächsten Moment zauberte er wieder sein einnehmendes Lächeln hervor und sie fragte sich, ob sie die Einzige war, die es sah, oder ob sie sich irrte.
    »Misch dich nicht in mein Leben ein.«
    »Wenn du nicht meine Schwester wärst, würde ich dir Arbeit besorgen, die dir mehr einbringt. Du lässt dich von diesem Kerl ausnutzen.« Victor schenkte Kaffee für sie beide ein und blickte auf, als er unten die Haustür hörte. »Erwartest du jemanden?«
    Betty erwartete niemanden, doch von einer unguten Vorahnung getrieben huschte sie in zwei Schritten zur Tür, öffnete sie einen Spalt und schaute hinunter. Sie erbleichte, schloss die Tür wieder und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. »Cor.«
    Victor war für einen Augenblick wie gelähmt. »Shit«, sagte er dann. »Shit, shit!« Er rannte durch das Wohnzimmer, stolperte über die Stufen und verschwand in dem kleinen Flur. Betty hörte Cor die Treppe heraufpoltern und auf der anderen Seite ihren Bruder die Tür zum Vordach öffnen. Er würde außen hinunterklettern müssen. Die Tür drückte gegen ihren Rücken. Cor machte sich nicht einmal die Mühe, anzuklopfen. Sie trat beiseite.
    »Tag, Schatz«, sagte Cor. »Du guckst ja, als wäre ich der Weihnachtsmann. Warst du etwa unartig, als ich mal kurz nicht da war?«
    Sie wich zurück. »Mal kurz?«
    »Ein Jahr im Knast – unter Freunden redet man gar nicht darüber, es sei denn, sie sind schuld daran. Freust du dich denn gar nicht, deinen Ehemann zu sehen?«
    »Du bist nicht mein Ehemann.« Ihr Leben ging den Bach hinunter, und sie spürte, wie Tränen der Ohnmacht in ihr aufstiegen. Und der Wut. »Gib mir meinen Schlüssel wieder! Als könnte hier jeder einfach so rein- und rausspazieren!«
    »Ach nein?« Er ging einfach an ihr vorbei. »Und der Kaffee steht schon für mich bereit. Oder etwa nicht?« Er schnupperte. »Rieche ich da den widerlichen Gestank von deinem lieben Bruderherz?«
    Sie unterdrückte ihren Ärger. Sie hatte nie Angst vor ihm gehabt. »Der Einzige, der stinkt, bist du«, erwiderte sie. »Nach Kneipe und Knast.«
    »Ich gehe mich ja vorher duschen.« Er drehte sich um und fasste sie am Oberarm. »Du könntest ruhig ein bisschen lieb zu mir sein.«
    Er neigte ihr sein Gesicht zu, das die ungesunde Gefängnisfarbe hatte, an die sie sich von früheren Gelegenheiten erinnerte. Sie roch Jenever und blickte ihm weiterhin fest in die Augen. »Wenn du nicht weggehst, rufe ich die Polizei. Ich kann ohne Weiteres durchsetzen, dass du mir nicht mehr zu nahe kommen darfst.«
    Er starrte sie
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