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Ronja Räubertochter

Ronja Räubertochter

Titel: Ronja Räubertochter
Autoren: Astrid Lindgren
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nicht?«
    »Doch, das tut er«, sagte Lovis. Da brach Mattis in Tränen aus.
    »Nein, scher dich zum Donnerdrummel«, schrie er.
    »Das erlaub ich nicht!«
    Lovis schüttelte den Kopf.
    »Über vieles bestimmst du, Mattis, aber darüber nicht!«
    Auch Ronja sorgte sich um Glatzen-Per. Je mehr er dahinsiechte, desto häufiger saß sie bei ihm. Jetzt lag er meistens mit geschlossenen Augen da, und nur manchmal öffnete er sie und sah sie an. Dann lächelte er und sagte:
    »Du, meine Herzensfreude, du vergißt es doch nicht? Du weißt schon, was.«
    »Nein! Wenn ich es nur finde«, sagte Ronja.
    »Du findest es«, versicherte Glatzen-Per.
    »Wenn die Zeit de ist, dann findest du's auch!«
    »Ja, kann sein«, sagte Ronja. Es vergingen einige Tage, und Glatzen-Per wurde nod schwächer. Schließlich kam eine Nacht, in der alle bei ihn wachten, Mattis und Lovis und Ronja und die Räuber. Glatzen-Per lag reglos und mit geschlossenen Augen da. Mattis suchte ängstlich nach einem Lebenszeichen von ihm, aber es war dämmrig um die Bettstatt trotz des Feuerscheins und der Talgkerze, die Lovis angezündet hatte. Nein, ein Lebenszeichen war nicht zu entdecken, und plötzlich schrie Mattis:
    »Er ist tot!«
    Da öffnete Glatzen-Per ein Auge und sah ihn vorwurfsvoll an.
    »Das bin ich ganz gewiß nicht! Glaubst du, ich hab nicht viel Anstand, daß ich Abschied nehme, bevor ich mich davon mache?«
    Dann lag er wieder lange mit geschlossenen Augen da, und alle standen schweigend um ihn herum und hörten nur seine pfeifenden Atemzüge.
    »Aber jetzt«, sagte Glatzen-Per und schlug die Augen auf.
    »Jetzt meine Freunde, nehm ich Abschied von euch allen! Denn jetzt sterbe ich!«
    Und dann starb er. Ronja hatte noch nie jemand sterben sehen, und sie weinte eine Weile. Aber in letzter Zeit ist er ja schon müde gewesen dachte sie. Vielleicht ruht er sich jetzt irgendwo anders aus, wo, das weiß ich nicht. Mattis aber ging laut weinend in der Steinhalle auf und ab und schrie:
    »Er ist immer dagewesen! Und jetzt ist er nicht mehr da!«
    Wieder und wieder rief er dieselben Worte:
    »Er ist immer dagewesen! Und jetzt ist er nicht mehr da!«
    Da sagte Lovis:
    »Mattis, du weißt, daß keiner immer dasein kann. Wir werden geboren, und wir sterben, so ist es seit eh und je. Was jammerst du da?«
    »Aber er fehlt mir!« schrie Mattis, »Er fehlt mir so sehr, daß es mir ins Herz schneidet!«
    »Möchtest du, daß ich dich ein Weilchen in die Arme nehme?« fragte Lovis.
    »Ja, tu das meinetwegen!« schrie Mattis. »Und du, Ronja, auch!«
    Dann saß er bald an Lovis und bald an Ronja gelehnt da und weinte sich aus, weinte seine Trauer über Glatzen-Per hinaus, der in seinem Leben immer dagewesen war und jetzt nicht mehr da war. Am nächsten Tag beerdigten sie Glatzen-Per unten am Fluß. Der Winter war näher gerückt, es schneite zum erstenmal, und weiche, feuchte Flocken fielen auf Glatzen-Pers Sarg, den Mattis und seine Räuber trugen. Den Sarg hatte Glatzen-Per in den Tagen seiner Kraft eigenhändig gezimmert und all die Jahre hindurch weit hinten in der Kleiderkammer aufbewahrt.
    »Ein Räuber kann seinen Sarg brauchen, wenn er's am wenigsten ahnt«, hatte Glatzen-Per gesagt, und in den letzten Jahren hatte er sich gewundert, daß es so lange dauerte.
    »Aber früher oder später kommt er zupaß«, hatte er gesagt. Jetzt war er zupaß gekommen.
    Die Trauer um Glatzen-Per lag schwer über der Burg. Den ganzen Winter lang war Mattis düsteren Sinnes. Auch die Räuber waren niedergeschlagen, denn Mattis' Stimmung gab den Ausschlag in der Mattisburg, sei es bei Kummer oder Freude. Ronja floh mit Birk in den Wald. Dort war es jetzt Winter, und wenn sie auf Skiern die Hänge hinabfuhr, vergaß sie alle Trübsal. Doch kaum war sie wieder zu Hause und sah Mattis brütend vor dem Feuer hocken, war alle Traurigkeit wieder da.
    »Tröste mich, Ronja«, bat er.
    »Hilf mir in meinem Kummer!«
    »Bald ist es wieder Frühling, dann wird es besser«, sagte Ronja. Doch das glaubte Mattis nicht.
    »Glatzen-Per kriegt nie wieder einen Frühling zu sehen«, sagte er mißmutig. Und da wußte auch Ronja keinen Trost. Aber der Winter verging. Und der Frühling kam. Er kam ja immer, ob jemand lebte oder starb. Mattis wurde fröhlicher, er wurde es in jedem Frühjahr, und bald pfiff und sang er, als er an der Spitze seiner Räuber durch die Wolfsklamm ritt. Da unten erwarteten ihn schon Borka und seine Männer. Hoho, jetzt würde das Räuberleben nach dem langen
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