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Robotermärchen

Robotermärchen

Titel: Robotermärchen
Autoren: Stanislaw Lem , Daniel Mróz
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wollte er aufstehen und in den Kampf ziehen, jedoch da gerann das Schmierfett in seinen Gelenken, und er konnte nicht einmal mehr den Rücken geradebiegen. So sitzt er heute noch, und der Schnee hat einen weißen Berg aus ihm gemacht, aus dem nur die Helmspitze herausragt. Der Berg wird der Eiserne genannt, und in seinen Augenhöhlen funkelt der gefrorene Blick.
    Ein dritter Elektritter, der Quarz, hatte vom Schicksal seiner Vorgänger erfahren. Tagsüber sah er aus wie eine polierte Linse, und nachts wie das Abbild der Sterne. Er brauchte nicht zu fürchten, daß Eisschollen unter seinen Füßen barsten, weil er so kalt werden konnte, wie er es wünschte. Nur etwas mußte er vermeiden, nämlich beharrliches Denken, denn davon erwärmte sich sein Quarzhirn, und dadurch konnte er umkommen. Doch nahm er sich vor, sein Leben durch Gedankenlosigkeit zu retten und den Sieg über die Kryoniden auf diese Weise zu erringen. Er landete auf dem Planeten, und er war von der langen Reise durch die ewige galaktische Nacht dermaßen gefroren, daß die eisernen Meteore, die seine Brust während des Fluges streiften, klirrend in Stücke sprangen. Er setzte sich auf den weißen Schnee Kryoniens unter einen Himmel, der schwarz war wie ein Topf voller Sterne, und wollte, einem durchsichtigen Spiegel ähnelnd, gerade überlegen, was nun zu tun sei, da wurde schon der Schnee rings um ihn schwarz und begann zu verdampfen. „Ha!" sagte sich Quarz. „Schlecht! Daraus wird nichts, bloß nicht denken, dann wird alles gut!" Und er beschloß, diesen Satz zu wiederholen, was immer auch geschehen möge, denn er erforderte keine geistige Anstrengung und demzufolge erhitzte er ihn auch nicht. So schritt Quarz denn über die Schneewüste, gedankenlos und aufs Geratewohl, um Kälte zu bewahren. So ging er, bis er vor die Eismauern von Frigida, der Hauptstadt der Kryoniden, kam. Er nahm Anlauf, stieß mit dem Kopf gegen die Schießscharten, daß die Funken flogen, erreichte aber nichts. „Versuchen wir es anders!" sagte er sich und überlegte, wieviel wohl zwei mal zwei wäre. Wie er nun darüber nachsann, erwärmte sich sein Kopf ein wenig, er versuchte also erneut, die funkensprühenden Mauern zu rammen, doch erzeugte er nur ein kleines Loch.
    „Wenig!" sagte er sich. „Versuchen wir es mit
    Schwierigerem. Was wird wohl drei mal fünf ergeben?" Jetzt schwebte eine zischende Wolke um seinen Kopf,
    denn bei Berührung mit so heftigem Denken siedet der Schnee sogleich. So wich Quarz denn einige Schritte zurück, nahm Anlauf, prallte gegen die Mauer, durchbohrte sie und nach ihr gleich zwei weitere Paläste und drei Häuser geringerer Frostgrafen, fiel auf eine große Treppe und klammerte sich an ein Stalaktitengeländer, aber die Stufen waren wie eine Rutschbahn. Rasch sprang er auf, da bereits alles um ihn herum taute und er auf diese Weise durch die ganze Stadt in die Tiefe, in den eisigen Abgrund hätte rollen können, wo er für Ewigkeiten erfroren wäre.
    „Daraus wird nichts! Nur nicht denken! Dann wird alles
    gut!" sagte er sich und kühlte sich in der Tat sogleich ab. Er gelangte also aus dem Eistunnel, den er eingeschmolzen hatte, wieder ins Freie und stand nun auf einem großen Platz, der von allen Seiten mit Polarlichtern erhellt war, die von den Kristallsäulen herab smaragdgrün und silbern flackerten. Und ihm trat im Sternengefunkel ein riesiger Ritter entgegen, Boreal, Führer der Kryoniden. Da sammelte Quarz der Elektritter seine Kräfte und ging zum Angriff über, jener prallte ihm entgegen, und es entstand ein solches Krachen, als wären zwei Eisberge mitten im Eismeer zusammengestoßen. Boreals schimmernde Rechte fiel ab, am Ansatz abgehackt, doch der Tapfere verlor nicht den Mut, sondern drehte sich herum, um dem Feind die Brust, breit wie ein Eisberg, was er denn auch war, zu bieten. Jener nahm zum zweiten Mal Anlauf und rammte ihn erneut mit schrecklicher Gewalt. Härter war der Quarz, fester als das Eis, und so barst Boreal mit Getöse, wie wenn eine Lawine über Felshänge stürzt, und lag zerschellt im Schein der Polarlichter, die auf seine Niederlage herabsahen. „Unser der Sieg! Nur weiter so!" sagte Quarz und riß herrlich schöne Juwelen von dem Besiegten herunter: Fingerringe, die mit Wasserstoff besetzt waren, funkelnde Stickereien und Knöpfe, die Diamanten glichen, jedoch aus den drei Edelgasen Argon, Krypton und Xenon geschnitten waren. Wie er nun seine Freude daran fand, wurde er warm vor
    Rührung, und die
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