Robbers: Thriller (German Edition)
meldete sich schließlich ab. Er steuerte den Dienstwagen über die Abbiegespur der Sixth Street auf die I-35 und fuhr Richtung Süden über den Colorado, der hier Town Lake hieß, weil er dank des Longhorn-Damms an dieser Stelle so breit war. Der schmale Grüngürtel am städtischen Ufer huschte im Zwielicht vorbei, dann breitete sich die riesige Wasserfläche schwarz und ruhig zwischen den im Schatten liegenden Ufern vor ihm aus. Der sichelförmige Mond hing in östlicher Richtung über dem Fluss, ein blasses Stückchen Platin, das zwischen den ersten Sternen dahintrieb.
Am anderen Ufer bog er in die Riverside und fuhr weiter westlich durch tief im Schatten liegende Kurven. Das war seine liebste Tageszeit, wenn die Arbeit erledigt war und der Abend noch vor ihm lag. Eine Zeit der Stille und Besinnung. Sein Leben befand sich irgendwie in der gleichen Phase. Vielleicht würde er schon bald in den Ruhestand gehen, mal sehen, wie es dann weiterlaufen würde. Beth wäre sicher einverstanden, sie hatte genug von unwilligen Schülern, zumal die öffentlichen Schulen inzwischen ein Kriegsschauplatz waren. Er fuhr langsam, hatte die Scheiben heruntergekurbelt und lauschte dem vertrauten Summen der Heuschrecken im Gras und der Zikaden auf den Bäumen. Ein süßes, elementares Geräusch. Für ihn war es das Geräusch des Schöpfers, der es sich mit einem eiskalten Glas Bier im Liegestuhl gemütlich machte.
Während seiner friedlichen Fahrt ging ihm dieses Bild nicht aus dem Kopf. Und plötzlich klingelte das Autotelefon. Es war Rule Hooks, der aus dem staatlichen Labor anrief.
»Mi amigo« , sagte Bernie. »Que pasa?«
»Was für ein Akzent«, entgegnete Rule.
»Na ja, ich arbeite dran. Vielleicht sag ich schon bald Auf Wiedersehen, kaufe mir ein Haus unten in Cancun, Playa del Carmen, und schau mir diese Siesta-Geschichte mal aus der Nähe an. Ich hab da diese Kassette, zehn einfache Lektionen. Como esta? Quiero uno cerveza frio. In der Art.«
»Du bist zu alt, Rosie. Das Ohr macht als Erstes schlapp.«
»Wer sagt das?«
»Katie. Sie lernt Spanisch an der Universität und behauptet, sie wäre zu alt. Dabei ist sie erst neunzehn.«
»Wie geht es ihr?«
»Ganz gut, denke ich. Ich seh sie nicht oft. Keine Zeit für den alten Herrn.«
»So ist es eben mit den Kindern. Alles nur Phasen. Das wird schon wieder.«
»Vielleicht, ich bin bloß nicht sicher, dass es am Alter liegt. Vielleicht ist sie genauso ein einsamer Wolf wie ich.«
»Sogar Einzelgänger fühlen sich manchmal einsam.«
»Wahrscheinlich.«
»Und Gott gab Adam Eva«, sagte Bernie. »Hast du jemals daran gedacht, wieder zu heiraten?«
Rule machte eine Pause. Dann räusperte er sich. »Wir kommen vom Thema ab, Rosie. Hör zu. Moline hier im Labor sagt, dass ihm einer der Kerle auf dem Video bekannt vorkommt. Ich dachte, das solltest du wissen.«
Der Detective klemmte sich das Telefon ans andere Ohr. »Im Ernst? Weiß er, wie er heißt?«
»Noch nicht. Aber er denkt darüber nach. Moline hat ein fotografisches Gedächtnis. Es arbeitet nur etwas langsam.«
Bernie nickte und rückte seinen Hintern im Sitz zurecht. Vielleicht sollte er wirklich ein bisschen abnehmen. Es war Zeit für eine Diät. Er könnte bei einem Buchladen stoppen und nach der neuesten schmerzlosen Masche suchen. Das Buch kaufen und sich gleich ein bisschen besser fühlen. Und danach damit anfangen. Nach den Fajitas. Manana. »Ich nehme an, ihr habt die Aufnahmen vom Video gescannt?«
»Und sie durchs System laufen lassen, Partner. Aber ich setze mein Geld lieber auf Moline.« Rule grunzte. »Wenn die schlimmen Jungs erst mal spitzkriegen, wie lausig diese verdammten Computer in Wahrheit funktionieren, geht der Ärger so richtig los.«
»Was ist mit den Fingerabdrücken?«
»Wie gesagt, wir haben eine Menge. Wahrscheinlich hundert verschiedene Abdrücke und Teilabdrücke. Willst du die Liste durcharbeiten?«
»Verdammt«, meinte Bernie.
»So sieht’s aus«, sagte Rule. »Läuft es bei euch Jungs besser?«
»Nein.«
»Hab ich mir gedacht. Wir bleiben in Verbindung.« Er legte auf.
Bernie hängte ein und überfuhr eine gelbe Ampel an der South Congress. An der Kreuzung mit der Barton Springs Road konnte er schon das Jalisco erkennen, ein großes weißes Gebäude mit Stuck und einer roten Zierleiste. Die Vorstellung eines Gringos von mexikanischer Architektur. Es sah aus wie das Alamo nach einer halbherzigen Schönheitsoperation. Links blinkten die Lichter des Threadgill; es
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