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Ritter und Raufbolde

Ritter und Raufbolde

Titel: Ritter und Raufbolde
Autoren: Martin Clauss
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etwa einen Unschuldigen verletzt, sich aber vor Räubern schützen kann. 4
    Die Notwendigkeit zum Selbstschutz wird hier zwar eingeräumt, den nichtadligen Kaufleuten werden aber Auflagen bezüglich ihrer Bewaffnung gemacht. Dem Adel, den Rittern, wird hingegen nur eine Vorschrift hinsichtlich ihrer Waffen gemacht: Sie dürfen sich vor Gericht nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des richtenden Grafen bewaffnen. Hier soll der Friedensraum des Gerichtes geschützt, nicht der Status der Adligen gemindert werden. Dem Adel stehen Waffen also im Alltag zu, während andere Bevölkerungsgruppen sich nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen bewaffnen dürfen.
    |27| Dies galt sicherlich nicht in gleicher Weise für die Teilnahme am Krieg. So unterscheiden die Gesetze explizit zwischen dem Besitz und dem Tragen von Waffen. Der Rheinfränkische Landfrieden von 1179, der ebenfalls von Friedrich I. erlassen wurde, hat einen anderen Standpunkt bezüglich der Bewaffnung von Bauern:
    Bauern und Leute ihres Standes sollen beim Aufenthalt außerhalb der Dörfer keine Waffen außer den Schwertern tragen. In den Dörfern aber dürfen sie weder Schwerter noch andere Waffen tragen. In den Häusern jedoch dürfen sie jegliche Waffen haben, damit sie, wenn der Richter ihre Hilfe zur Bestrafung eines Friedensbruchs benötigt, mit Waffen ausgerüstet gefunden werden. 5
    Die Bauern werden hier als Gruppe begriffen, die sich bei Bedarf bewaffnen kann. Dies bezieht sich auf etwas, das man modern als ,Hilfspolizeieinsatz‘ bezeichnen könnte, gilt aber auch für den Krieg gegen auswärtige Feinde. Wenn Bauern zum Kriegsdienst herangezogen wurden, waren sie natürlich bewaffnet. Sie werden hier ja angehalten, in ihren Häusern immer Waffen bereitzuhalten. Das Schwert, welches die Bauern außerhalb des Dorfes tragen durften, diente offenbar als Schutz.
    In diesen Normierungen wird zweierlei deutlich: Waffen waren im Mittelalter alltäglich und in gewissen Kreisen auch allgegenwärtig; und: Waffen waren Ausdruck einer sozialen Privilegierung. Anders formuliert: Mit Waffen und Gewalt schmücken konnte sich nur ein Teil der Gesellschaft, im Krieg kämpfen hingegen alle.
    Die Beteiligung von Bauern und eine Art Arbeitsteilung im Krieg wird an folgender Schilderung zur Schlacht bei Fornham St. Genevieve (England) 1173 deutlich: „Die Ritter in Rüstungen bemühten sich nur darum, die Gegner niederzuwerfen; |28| die Bauern übernahmen das Töten.“ 6 Das schmutzige und wenig ehrenvolle Geschäft des Tötens übernehmen die Bauern; die Ritter – in Rüstung und hoch zu Ross – beschränken sich darauf, die Gegner zu bezwingen. Bauern und Ritter kämpfen Seite an Seite, wenn auch mit unterschiedlich bewerteten Aufgaben. Dieses Zitat widerspricht einem glamourösen Bild vom Wettstreit edler Recken im Mittelalter. Selbst wenn die Ritter ihre Gegner nicht umgebracht haben sollten, fanden sich andere ,Raufbolde‘, die das taten.
    Der König als Kriegsherr
    Wenn man die politische Geschichte des Mittelalters – etwa entlang der Geschichte der Könige – betrachtet, gewinnt man den Eindruck, dass in dieser Epoche nahezu ununterbrochen Krieg geführt wurde. So zählt Einhard, der Biograph Karls des Großen, als er von den Taten seines Helden berichtet, zunächst dessen Kriegszüge auf: gegen die Aquitanier, gegen die Langobarden, gegen die Sachsen, gegen die Muslime in Spanien, gegen die Bretonen, gegen das süditalienische Herzogtum Benevent, gegen die Bayern, gegen die Slawen, gegen die Awaren, gegen die Böhmen und gegen die Dänen. Die sogenannten fränkischen Reichsannalen, die Jahr für Jahr die wichtigsten Ereignisse im Frankenreich festhielten, berichten für die 45 Regierungsjahre Karls des Großen (768 bis 814) für 36 Jahre von Kriegszügen, an denen der Herrscher entweder selber teilgenommen hat oder zu denen er seine Gefolgsleute entsandte. Für zwei Jahre – 790 und 792 – weisen die Annalen gar explizit darauf hin, dass kein Krieg geführt worden sei. Der Krieg erscheint hier als der Normalfall und die Abwesenheit von Krieg bedarf der Erklärung. Um den König vor dem Vorwurf der Untätigkeit zu bewahren, verweisen die Annalen zudem in kriegslosen Jahren |29| darauf, dass Vorbereitungen für kommende Aktionen getroffen wurden oder der König sich auf der Jagd befand.
    Die Jagd war nicht nur ein veritables ,Freizeitvergnügen‘ mittelalterlicher Adliger; sie wird von der frühmittelalterlichen Geschichtsschreibung auch als Chiffre
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