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Ritter und Raufbolde

Ritter und Raufbolde

Titel: Ritter und Raufbolde
Autoren: Martin Clauss
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Festtag Krieg zu führen oder solch einen Tag durch Mord und das Vergießen menschlichen Blutes zu verletzen. Dieser Ratschluss gefiel dem römischen Kaiser, der immer wieder betonte, dass er aus einem Kampf an solch einem Tag niemals fröhlich als Sieger hervorgehen könne. 5
    Etliche Heerführer sprechen sich also dagegen aus, am Tag des Herrn zu kämpfen, dringen mit ihren Warnungen aber bei den – modern gesprochen – ,Falken‘ nicht durch: Die Schlacht wird gewagt und verloren. Roger de Wendover beschreibt die Niederlage Ottos IV. mit Sympathien für den Kaiser und erklärt seine Niederlage mit dem Hinweis auf den falschen Schlacht-(Wochen-)Tag.
    Diese Episode macht aber auch deutlich, dass die Rücksichtnahme auf Sonntage nicht in jedem Fall über militärische Rationalität obsiegte. Im Zuge der Beratung bezichtigt |16| einer der ,Falken‘ den Grafen Reginald des Verrats und indirekt der Feigheit – ein probates Mittel, um einen mittelalterlichen Krieger von aller Rücksichtnahme abzubringen und zum Kämpfen zu bewegen. Auf diesen Anwurf reagiert Reginald mit folgender Versicherung: „Ich werde an diesem Sonntag für den König in der Schlacht stehen, wenn es nötig ist, bis zum Tod.“ 6
    Denn es ist – auch im Mittelalter – klar, dass man sehr wohl an einem Sonntag kämpft, wenn man sich davon Vorteile verspricht. Bei aller Bedeutung, die das Christentum und die Kirche für die Menschen im Mittelalter hatten, folgte der Krieg doch seiner eigenen Logik. Kriegerische Handlungen wurden nicht zwangsweise zu christlichen Fest- und Feiertagen unterbrochen. Betrachtet man die Tage, an denen im Mittelalter |17| gekämpft wurde, so kann man keine besondere Rücksicht gegenüber dem Sonntag feststellen. Wir müssen hier also zwischen kirchlichem Anspruch, dem propagandistischen Rückgriff auf diesen Anspruch und der Wirklichkeit unterscheiden.
    |16| Der Morgenstern
    Unter Morgenstern verstehen wir zunächst die Waffe, die der normannische Schurke Bois-Guilbert in Sir Walter Scotts Roman Ivanhoe krachend auf den Schild des gleichnamigen Ritters niederfahren lässt: An einem kurzen Stab ist eine Kette und an deren Ende wiederum eine eiserne Stachelkugel angebracht. Waffenhistorisch betrachtet ist diese Waffe eine Sonderform des Kriegsflegels bzw. der Schlachtgeißel. Deren Stiele waren in der Regel länger und sie zählte zu den Stangenwaffen, die von Fußkämpfern benutzt wurden. Kurze Flegel hingegen kamen auch bei Reitern zum Einsatz. Unter Morgenstern verstand man im 14. Jahrhundert hingegen einen Streitkolben, eine Schlagwaffe also, deren Kolbenkopf mit Stacheln versehen war, ohne eine Kette zwischen Kolben und Kugel. Diese Stacheln sollten den Plattenpanzer durchschlagen und sind somit als wehrtechnische Reaktion auf die Weiterentwicklung der Körperpanzerung zu deuten.
    |17| Die Zeit für den Krieg war im Mittelalter zunächst der Sommer. Die Monate, in denen am häufigsten gekämpft wurde, waren Juni, Juli und August, am seltensten im Dezember und Januar. Der Sommer brachte viele logistische Vorteile mit sich: Trockene Straßen und freundliche(re)s Klima erleichterten Truppenbewegungen. Das Heer konnte im Freien kampieren, Pferde und Zugtiere fanden genug Futter, die Kämpfer Nahrung. Die Flüsse führten genug Wasser für die Schifffahrt, die Pässe (etwa über die Alpen für einen der zahlreichen Kriegszüge nach Italien) waren in der Regel schnee- und eisfrei. Der Sommer brachte außerdem den Vorteil, nicht von kirchlichen Hochfesten unterbrochen zu werden; denn man suchte die Hochfeste zu respektieren, auch wenn die Rücksicht auf Sonntage ihre Grenzen kannte.
    Die Hitze des Sommers brachte aber auch Nachteile. Zahlreiche Quellen beschreiben, wie heiß es bei Sonneneinstrahlung unter den Eisenpanzern der Ritter werden konnte. Besonders gravierend war dieses Problem auf den Kreuzzügen in den Orient. Westeuropäische Ritter waren nur bedingt an das Kämpfen in dieser Klimazone angepasst. In der Schlacht von Hattin 1187 sollen etliche Kreuzfahrer nicht dem Feind, sondern der Hitze und dem Wassermangel erlegen sein. Das christliche Heer stellte sich den Truppen Saladins in einer wüstenähnlichen Region ohne Zugang zu Wasser und wurde besiegt. Aber auch in Deutschland konnte die Sonne einem gepanzerten Krieger zum Verhängnis werden; so etwa auf dem Lechfeld bei Augsburg, als Otto I. 955 die Ungarn besiegte:
    |18| Herzog Konrad nämlich, der tapfer kämpfte, wurde im Eifer des Gefechts und durch die
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