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Rhosmari - Retterin der Feen

Rhosmari - Retterin der Feen

Titel: Rhosmari - Retterin der Feen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Wut und Verzweiflung in den Augen des Mannes und die Panik in denen der Frau erschreckten Rhosmari so sehr, dass sie keinen Bissen hinunterbrachte. Das Ganze kam ihr vor wie eine perverse Umkehrung des gastfreundlichen Empfangs, den Paul und Peri ihr bei ihrer Ankunft in der Eichenwelt bereitet hatten, und das entsetzte Schweigen der Menschen wie ein makabrer Kontrast zu den fröhlichen Gesprächen, die sie damals so überrascht hatten. Als die Frau dann etwas Orangensaft verschüttete, weil ihre Hand so zitterte, hielt Rhosmari es nicht mehr aus. »Bitte entschuldigt mich«, stotterte sie und rannte die Treppe hinauf in ihr Zimmer.
    Dort schlang sie die Arme um sich und unterdrückte ein Schluchzen. Sie hatte Timothy ihren Namen geschenkt und, wie sie jetzt wusste – wenn sie es nicht schon immer gewusst hatte – auch ihr Herz. Aber die Liebe hatte sie nicht gerettet und sie würde auch Timothy nicht retten. Gleich nach ihrer Rückkehr von den Grünen Inseln würde die Kaiserin die Eichenfeen mithilfe der Kinder des Rhys zwingen, sich zu ergeben. Und dann würde sie ihre Drohung wahrmachen und Timothy töten und wahrscheinlich auch Paul und Peri – wenn die nicht schon tot war …
    Eine Hand hielt ihr den Mund zu und aus dem Nichts zischte eine Stimme: »Kein Laut, oder ich schlage dich windelweich.«
    Rhosmari blickte wie wild in alle möglichen Richtungen, dann erstarrte sie. Ihre Kehle war wie zugeschnürt.
    »So ist es brav«, sagte ihr unsichtbarer Entführer. »Jetzt hör mir zu. Ich bringe dich zur Eiche zurück …« Rhosmari protestierte mit einem erstickten Laut und die Stimme brach ab. »Was soll das heißen, nein?«
    Die andere Fee ließ sie los und Rhosmari rang nach Luft.
    »Ich weiß nicht, wie du hier hereingekommen bist, Malve, oder was du vorhast …«
    »Ich bin dir natürlich von der Eichenwelt gefolgt«, fiel Malve ihr ins Wort. »Und gestern Abend mit dir durch die Tür geschlüpft. Ich hätte dich schön langst geholt, wenn nicht immer dieser Idiot Martin um dich herumgestrichen wäre.« Malve trat zurück. Ihre Füße machten auf dem flauschigen Teppich kein Geräusch. »Und der Grund, warum ich hier bin, ist eigentlich klar. Dass ich nicht viel von Königin Baldriana halte, ist bekannt, aber wenigstens tötet sie ihre Untertanen nicht oder nimmt ihnen ihre Zauberkraft, um selbst stärker zu werden. Und eher erhänge ich mich, als dass ich zulasse, dass diese verräterische Schlange Hasenglöckchen Königin der Eiche wird. Deshalb …« Sie packte Rhosmari an der Hand. »Indem ich dich rette, versalze ich ihr die Suppe.«
    »Aber versteh doch …« Rhosmari versuchte vergeblich, sich aus dem Griff der Küchenchefin zu befreien. »Ich würde ja mitkommen, aber ich kann wirklich nicht. Die Kaiserin kennt meinen Namen und hat mich außerdem an Martin gefesselt. In dem Moment, in dem du mich nach draußen bringst, werden sie es beide merken … und dann nehmen sie dich auch gefangen.«
    Malve fluchte. »Schöne Bescherung. Wenn ich allein zur Eiche zurückkehre, werden die Eichenfeen mich nicht willkommen heißen.«
    Rhosmari warf einen Blick auf die geschlossene Tür. Martin konnte jeden Moment die Treppe heraufkommen. »Nimm die«, sagte sie. Sie zog ihre Spange aus den Haaren und drückte sie Malve in die Hand. »Gib sie Timothy und richte ihm von mir aus, dass die Kaiserin die Grünen Inseln heute Abend überfallen will. Sag ihm … dass unser Plan nicht geklappt hat und dass es mir leidtut. Und sag ihm Lebewohl von mir.«
    »Timothy?« Rhosmari sah Malves Gesicht nicht, konnte sich aber lebhaft vorstellen, wie sie verächtlich die Lippen kräuselte. »Ich soll einem Menschen etwas ausrichten?«
    »Ja«, sagte Rhosmari in dem entschiedenen Ton, den sie für ihre schwierigsten Schüler reservierte. »Wenn du Königin Baldriana und die anderen davon überzeugen willst, dass du deine Meinung geändert hast, Malve, dann am besten dadurch. Jetzt geh! Schnell!«
    Malve murmelte undeutlich etwas … und war verschwunden. Offenbar war sie gesprungen, denn Rhosmari spürte einen leichten Luftzug. Schwach vor Erleichterung stützte sie sich auf einen Bettpfosten.
    Die Tür ging auf. »Wir müssen los, Rhosmari«, sagte Martin. Er runzelte die Stirn. »Was ist mit deinen Haaren passiert?«
    Rhosmari richtete sich auf und sah ihn unverwandt an, bis er den Blick abwandte. Dann ging sie stumm, aber festen Schrittes an ihm vorbei nach draußen, eine Märtyrerin auf dem Weg zur Hinrichtung.
    Als Martin
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