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Rheinsteigmord - Kriminalroman

Rheinsteigmord - Kriminalroman

Titel: Rheinsteigmord - Kriminalroman
Autoren: emons Verlag
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lösten sich die oberen Reißzwecken, mit denen Fred es an der Raufasertapete befestigt hatte, und es segelte zu Boden wie ein erlegter Vogel.
    Fred sprang auf und riss den Vorhang zur Seite. Draußen sollte es um diese Zeit hell sein, aber im Zimmer blieb es milchig und grau. Eine dreckige Plastikwand hielt das Tageslicht draußen und versperrte die Sicht auf die gegenüberliegende Häuserzeile der Bonner Dorotheenstraße. Die ockerfarbenen Fassaden wirkten wie mit unscharfer Kamera aufgenommen, mit einer Linse, die in den Dreck gefallen war. Eine schwarze Gestalt trat von rechts in Freds Blickfeld. Es war ein Bauarbeiter, der ihn kurz musterte, die Hand an den gelben Helm hielt, freundlich nickte und weiterging.
    Freds Wohnung befand sich im dritten Stock. Er drehte den Griff zur Seite, um das Fenster zu öffnen. Als die Scheibe aufschwang, wurde der Baulärm schlagartig viel lauter. Unter dem Sims verlief das Brett eines Baugerüsts. Oben waren die Arbeiter dabei, weitere Etagen aufzubauen. Gleichzeitig knatterte unten immer noch der Presslufthammer.
    Fred schloss das Fenster und warf einen Blick in sein Zimmer. Der kleine Schreibtisch mit der altertümlichen Olympia mit eingespanntem Papier. Stapel von Taschenbüchern. Ein aufgeschlagener Collegeblock mit eng geschriebenen Notizen. Stifte. Ein halb geleertes Whiskyglas. Die Gitarre an der Wand. CD s im Regal.
    Sein Reich. Bedroht von Presslufthämmern. Umhüllt von einer Plastikwand.
    Er flüchtete in das kleine Bad, wobei er fast auf dem herabgefallenen Poster ausgerutscht wäre, und zog die Tür hinter sich zu. Aus dem Prasseln wurde ein fernes, aber immer noch vibrierendes Knattern. Immerhin. Ein paar Sekunden stand er nur da. Betrachtete sein Bild im Spiegel über dem Waschbecken. Seine schmächtige Figur in Feinrippunterwäsche.
    Fetzen seines Traumes kamen ihm wieder in den Sinn. Die Gespräche der Männer, ohne Zweifel waren es die Stimmen der Arbeiter da draußen, hatten sich erst am Ende eingeschlichen. Davor war Fred durch menschenleere Landschaften gefahren. Durch Wüsten, weite Grasebenen und einsame Gebirge. Hinein in einen blauen, endlosen Himmel.
    Er drehte die Dusche auf, während er weiter seinen Gedanken nachhing. Irgendwann stellte er fest, dass es eisig wie ein Gebirgsbach aus dem Duschkopf sprühte. Er öffnete das Warmwasserventil bis zum Anschlag. Der Strahl wurde dünn und dünner, versiegte schließlich ganz. In den Tiefen der Leitung schien es zu röcheln.
    Fred fluchte, setzte sich mit einem Griff zur Türklinke der brutal hereinbrechenden Lärmwolke aus, schnappte sich wie ein Soldat, der im Feuergefecht das rettende Verbandszeug aus der Schusslinie holt, das Telefon von der Ladestation und zog sich in den Bunker des Bades zurück.
    Um zehn nach neun gab es immer noch kein Wasser.
    Wieder wagte er sich in die Lärmhölle und suchte in der kleinen Kommode nach seinem Mietvertrag. Er fand ihn in einem verstaubten Schnellhefter mit verbogener Metallzunge, blätterte ihn durch und entdeckte die Telefonnummer der Hausverwaltung. Im Bad wählte er. Nebenan wummerte es. Fred hielt sich das freie Ohr zu.
    Piep. Piep. Piiiep. Kein Anschluss unter dieser Nummer. Piep. Piep. Piiiep. Kein Anschluss unter dieser Nummer.
    Fred drückte Rot und wählte erneut. Die Auskunft meldete sich. Er las aus dem Ordner ab: »Die CNF Hausverwaltungs-GmbH in Reutlingen bitte.«
    Die Stimme der Frau war unpersönlich, aber freundlich. »Da habe ich drei Einträge. Eine für Industriebauten, eine für Parkhäuser und eine für Flughafenmanagement.«
    »Geben Sie mir alle drei.« Nichts zum Aufschreiben. »Moment.«
    Der Baulärm hatte wieder den Atem angehalten. In völliger Stille konnte er einen Stift vom Schreibtisch holen.
    Um neun Uhr achtundfünfzig war es ihm gelungen, jemanden ans Telefon zu bekommen, der sich zuständig fühlte. Die Frau hätte dieselbe sein können wie die von der Auskunft. Freundlich. Geduldig. Unpersönlich. Wasser gab es immer noch nicht.
    »Sagen Sie mir bitte noch mal Ihre Adresse.«
    Fred sagte sie. Die Dame tippte.
    »Fassadenrenovierung. Hier hab ich’s. Wir führen eine Fassadenrenovierung durch.«
    »Das merke ich. Aber wann habe ich wieder Wasser?«
    »Die Renovierung geschieht im Zuge energiesparender Maßnahmen. Allen Mietern wurden vor drei Monaten Informationen zugestellt.«
    »Das habe ich nicht gefragt. Und ich habe keine Information erhalten.«
    »Über die Dauer der Maßnahme steht hier leider nichts. Wenn Sie
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