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Requiem: Roman (German Edition)

Requiem: Roman (German Edition)

Titel: Requiem: Roman (German Edition)
Autoren: Eoin McNamee
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einsame Nacht hinaus.
    Stille lag über der Stadt. Sie fiel McCrink auf, sobald er eine der Hauptstraßen verließ. Orte, an denen es spukte. Orte, die darauf warteten, Bedeutung zu erlangen.
    Er ging zurück nach Trevor Hill und betrat die Bar. Der Geruch feuchter Mäntel hing in der Luft, die Bar verströmte eine Atmosphäre unauffälliger Falschheit. McCrink begriff, wofür Nummy’s stand. Ein Ort, an dem man trank, um die Folgen des Trinkens zu vergessen. Alles andere blieb draußen vor der Tür. Die Theke, abgesplittertes Resopal, die Barhocker schäbig. Aber man konnte bleiben, solange es einem gefiel, denn jede Art von Verurteilung blieb draußen vor dem schmalen Eingang zur Bar. Er setzte sich an den Tresen und bestellte einen Vodka Tonic. Speers und Johnston kamen herein und setzten sich neben ihn.
    »Johnston ist immer noch scharf darauf, es dem Kerl aus der Gegend anzuhängen. Diesem Kerl namens McGladdery, über den wir geredet haben«, sagte Speers.
    »Was halten Sie davon?«
    »Irgendwas an der Sache passt nicht.«
    »Er verhält sich irgendwie nicht wie ein Gangster. Ist verrückt nach Bodybuilding und ähnlichem Zeugs.«
    »Der ist anders als alle, die ich bis jetzt zu Gesicht bekommen habe.«
    »Das mit dem Bodybuilding passt«, sagte McCrink und stellte sich vor, wie sich daraus ein rücksichtsloses Selbstbewusstsein entwickeln konnte.
    »Da passt eine ganze Menge. Das Kleinverbrechen. Die schwierige Jugend. Der Mann bedeutet auf jeden Fall eine Gefahr für die Welt. Nennt sich kriminelles Profil.«
    »Kriminelles Profil?«
    »Speers hat da diese Theorie, wie der Verstand eines Kriminellen gebaut ist, Sir«, sagte Johnston.
    »Und wie sieht Ihre Theorie zum Verstand eines Kriminellen aus?«, fragte McCrink.
    »Ein Mistkerl ist und bleibt ein Mistkerl, das ist meine Theorie, Sir.«
    »Johnston kann grob werden, aber manchmal funktioniert es«, sagte Speers, »ich schlage vor, dass er die Leitung übernimmt, wenn es darum geht, Zeugen zu vernehmen.«
    »Und was qualifiziert Sie für diesen Job, Johnston?«, fragte McCrink.
    »Ich hab zu Füßen eines Meisters gelernt«, sagte Johnston, »hab am Fall Curran mitgearbeitet. War dabei, als Hauptinspektor Capstick Gordon zur Tat befragt hat. Hat innerhalb eines Tages ein Geständnis aus ihm herausgeholt.«
    »Gordon?«
    »Für den Mord an Patricia Curran, der Tochter des Richters.«
    Johnston erzählte ihnen, wie Capstick vorgegangen war. Capstick hatte Gordon erklärt, dass er über seine Homosexualität Bescheid wisse. Er verwies auf unterschwellige Abartigkeiten bei Gordon, seine kaum ausgeprägte Kinnpartie, seinen schlaffen Händedruck. Capstick erzählte von seinen Erfahrungen im Umgang mit der Londoner Unterwelt, von Tunten und Schwuchteln, Sprösslingen der Arschgauner. Er hatte Gordons Kopf mit den dunklen Vorstellungen nächtlicher Straßen, bevölkert von Kindern des Lasters, gefüllt.
    »Zu guter Letzt erzählte Capstick ihm, seine Mutter, die ihn liebte, werde herausfinden, dass er ein beschissener Sattelschnüffler war. Verängstigte den kleinen Scheißer zu Tode, um ihn zu einem Geständnis zu bringen. Die Anwaltskammer musste sich anstrengen, um zu verhindern, dass er das bekam, was er verdient hätte, nämlich den Strick um den Hals. Flennte wie ein Baby, als der Name seiner Mama erwähnt wurde. Konnte es nicht erwarten, eine Aussage niederzuschreiben.«
    »Eine geschmacklose Art, zu einem Geständnis zu kommen«, sagte McCrink.
    »Er hat seinen Schuldspruch gekriegt«, sagte Speers.
    »Er hat seinen Schuldspruch gekriegt, hat aber einen unangenehmen Nachgeschmack zurückgelassen.«
    »Nichts gegen einen unangenehmen Nachgeschmack, Sir«, sagte Johnston, »in dieser Stadt machen wir das, was funktioniert.«
    »Möchten Sie McGladdery sehen?«, fragte Speers, »Johnstons Männer überwachen ihn in der Hollywood Bar.«
    Sie fuhren zum Merchants Quay hinunter, parkten den Humber am Kanal.
    »Dort drüben ist er«, sagte Speers.
    Robert McGladdery stand vor der Bar. Er trug einen Hut mit kleiner Krempe, den er sich aus der Stirn geschoben hatte. Er rauchte, die Zigarette in der hohlen Hand verborgen, eine filterlose Black Cat oder No. 6. McCrink erkannte im Schein der Zigarette ein blasses Gesicht, ein angedeutetes Lächeln. Auf einer Gesichtshälfte hatte er einen langen Kratzer.
    »Ein lasterhafter Kerl«, sagte Johnston, »steht jeden Tag an der gleichen Stelle. Sitzt an der Bar, bis er die Fabriksirene hört, schon kommt er nach draußen.
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