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Replay - Das zweite Spiel

Titel: Replay - Das zweite Spiel
Autoren: Ken Grimwood
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die Erkenntnis ebenso wenig, wie ihn seine frühere Annahme, tot zu sein, in Angst und Schrecken versetzt hatte.
    Vielleicht hatte er das Ende seines Lebens insgeheim begrüßt. Jetzt würde alles bloß weitergehen wie zuvor: die Unzufriedenheit, der schleichende Verlust von Ehrgeiz und Hoffnung, der entweder seine Ehe hatte scheitern lassen oder Folge des Scheiterns war - er konnte sich nicht mehr erinnern, was davon zutraf.
    Er schob die Decke von seinem Gesicht herunter und stieß mit den Füßen nach dem zerwühlten Laken. Irgendwo im abgedunkelten Zimmer spielte kaum hörbar Musik. Ein Oldie: ›Da Doo Ron Ron‹ von einer dieser Phil-Spector-Mädchengruppen.
    Jeff tastete vollkommen desorientiert nach dem Lichtschalter. Er lag entweder in einem Krankenhausbett und erholte sich von dem, was im Büro geschehen war - oder er war zu Hause und erwachte gerade aus einem Traum, der schlimmer als üblich gewesen war. Seine Hand stieß gegen die Nachttischlampe, schaltete sie an. Er befand sich in einem kleinen, Unordentlichen Zimmer mit Kleidungsstücken und Büchern, die über den Fußboden verstreut und wahllos auf zwei benachbarte  Schreibtischen und Stühlen aufgetürmt waren. Weder ein Krankenhaus noch sein und Lindas Schlafzimmer, aber irgendwie vertraut.
    Eine nackte, lächelnde Frau erwiderte seinen verdutzten Blick. Eine große Fotografie, die an der Wand hing. Ein Playboy-Ausklappbild, eins von den alten. Die dralle Brünette lag sittsam auf dem Bauch, auf einer Luftmatratze auf dem Achterdeck einer Yacht, den rot getüpfelten weißen Bikini an der Reling festgebunden. Mit dem feschen Seemannskäppi und dem sorgfältig gekämmten und gesprayten dunklen Haar hatte sie eine entfernte Ähnlichkeit mit der jungen Jackie Kennedy.
    Die anderen Wände waren in demselben veralteten, kindischen Stil dekoriert: Stierkampf-Poster, ein stark vergrößerter roter Jaguar XK-E, ein altes Dave-Brubeck-Plattencover. Über dem Schreibtisch war eine rot-weiß-blaue Fahne befestigt, und die Stars and Stripes bildeten den Spruch NIEDER MIT DEM KOMMUNISMUS. Jeff grinste, als er das sah - genau so eine Fahne hatte er bei Paul Krassners einstmals schockierendem kleinem Käseblatt Der Realist bestellt, als er noch auf dem College war, als …
    Er setzte sich jäh aufrecht, in seinen Ohren dröhnte der Herzschlag.
    Die alte Lampe mit dem Schwanenhals auf dem Schreibtisch nahe der Tür hatte sich immer vom Sockel gelöst, wenn er sie bewegt hatte, erinnerte er sich. Und der kleine Teppich vor Martins Bett hatte einen großen blutroten Fleck gehabt - ja, genau da - von dem Mal, als Jeff mit Judy Gordon nach oben geschlichen war und sie zu der Musik der Drifters im Zimmer umhergetanzt waren und dabei eine Flasche Chianti umgeworfen hatten.
    Die diffuse Verwirrung, die Jeff beim Aufwachen empfunden hatte, machte völliger Verblüffung Platz. Er warf die Decke zur Seite, stieg aus dem Bett und ging unsicher zu einem der Schreibtische. Zu seinem Schreibtisch. Er musterte die gestapelten Bücher: ›Kulturelle Gesetzmäßigkeiten‹, ›Jugend in Samoa‹, Bevölkerungsstatistik‹,  Soziologie 101. Dr…. wer? Danforth, Sanborn? In einem großen, muffigen Saal irgendwo auf der anderen Seite des Campus gab es um acht Uhr morgens nach der ersten Vorlesung immer Frühstück. Er hob das Benedict-Buch auf, blätterte es durch; mehrere Abschnitte waren dick unterstrichen und mit Randbemerkungen in seiner eigenen Handschrift versehen.
    »… der WQXI-Hit der Woche, von den Crystals! Das nächste Stück ist für Bobby in Marietta, von Carol und Paula. Diese reizenden Mädels wollen Bobby Bescheid geben, genau wie die Chiffons glauben sie: He’s Soooo Fine…«
    Jeff schaltete das Radio aus und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Voller Verlegenheit wurde ihm bewusst, dass er eine ausgewachsene Erektion hatte. Wann war er zum letzten Mal so steif geworden, ohne an Sex auch nur gedacht zu haben?
    Also schön, es war an der Zeit, sich Klarheit zu verschaffen. Irgendjemand musste ihm einen außergewöhnlich ausgeklügelten Streich spielen, nur kannte er niemanden, der solch grobe Scherze machte. Und selbst wenn er einen gekannt hätte - warum hätte er sich solche Mühe geben sollen? Die Bücher mit seinen Notizen hatte er schon vor Jahren weggeworfen, und niemand konnte sie so genau nachgemacht haben.
    Auf seinem Schreibtisch lag eine Ausgabe von Newsweek mit einer Titelstory über den Rücktritt des westdeutschen Kanzlers Konrad Adenauer. Die
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