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Rendezvous im Hyde Park

Rendezvous im Hyde Park

Titel: Rendezvous im Hyde Park
Autoren: Julia Quinn
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erklärte Lord Vickers soeben voll Stolz, „jedes von ihnen kam kräftig und gesund zur Welt." Er hob das Glas in stillem Tribut an seine älteste Tochter, die fruchtbare Frances Vickers Winslow. Annabel kam nicht umhin, sich daran zu erinnern, dass er ihre Mutter normalerweise nur „einen Dummkopf, verheiratet mit diesem verdammten Dummkopf" nannte.
    Lord Vickers war nicht erfreut gewesen, als seine Tochter einen Landedelmann von beschränkten Mitteln geehelicht hatte. Soweit Annabel wusste, hatte er diese Meinung nie infrage gestellt.
    Louisas Mutter hingegen hatte den jüngeren Sohn des Duke of Fenniwick geheiratet, und das gerade einmal drei Monate, bevor der ältere Sohn sich bei einem unglücklichen Sprung auf einem schlecht trainierten Pferd den edlen Hals gebrochen hatte. Es war, wie Lord Vickers es ausgedrückt hatte, „verdammt günstig gewesen."
    Für Louisas Mutter, meinte er damit, nicht für den toten Erben. Oder das Pferd.

    Es war nicht weiter überraschend, dass sich Annabels und Louisas Wege vor diesem Frühling nur selten gekreuzt hatten. Die Winslows, eingepfercht mit ihrer zahlreichen Nachkommenschaft in einem viel zu kleinen Haus, hatten wenig gemeinsam mit den McCanns, die, wenn sie nicht in ihrem Londoner Prachthaus weilten, in einem uralten Schloss jenseits der schottischen Grenze residierten.
    „Annabels Vater hatte neun Geschwister", sagte Lord Vickers.
    Annabel wandte den Kopf und betrachtete ihn aufmerksam. So nahe war ihr Großvater einem Kompliment an ihren Vater, er ruhe in Frieden, noch nie gekommen.
    „Wirklich?", meinte Lord Newbury und betrachtete Annabel funkelnden Auges. Annabel biss sich auf die Lippen, verschränkte die Hände im Schoß und überlegte, was sie wohl tun könnte, um einen unfruchtbaren Eindruck zu erwecken.
    „Und wir haben ja auch sieben", sagte Lord Vickers und winkte mit jener Art bescheidener Geste ab, die alles andere als Bescheidenheit signalisierte.
    „Dann sind Sie Lady Vickers wohl nicht immer aus dem Weg gegangen, was?", kommentierte Lord Newbury und ließ ein anzügliches Kichern hören.
    Annabel schluckte. Wenn Lord Newbury kicherte oder sich überhaupt bewegte, wackelten und bebten seine Kinnbacken auf sehr unschöne Weise. Es erinnerte sie an die Kalbsfußsülze, die ihre Haushälterin ihr immer aufdrängte, wenn sie krank war. Wirklich, es konnte einer jungen Frau dabei schier den Appetit verderben.
    Sie überlegte, wie lange man wohl ohne Nahrung auskommen müsste, bis die Hüften so schmal geworden waren, dass sie nicht mehr als gebärfähig angesehen wurden.
    „Denken Sie darüber nach", sagte Lord Vickers und klopfte seinem alten Bekannten leutselig auf die Schulter.
    „Oh, ich denke darüber nach", erwiderte Lord Newbury.
    Er drehte sich zu Annabel um; seine hellblauen Augen glitzerten interessiert. „Ich denke definitiv darüber nach."
    „Das Nachdenken wird überschätzt", erklärte Lady Vickers. Sie hob ihr Glas mit Sherry, prostete unbestimmt in den Raum und trank es aus.
    „Hab ganz vergessen, dass Sie auch da sind, Margaret", sagte Lord Newbury.
    „Ich vergess das nie", brummte Lord Vickers.
    „Das gilt natürlich nur für Gentlemen", fuhr Lady Vickers fort und hielt ihr Glas in die Runde, damit einer der Herren, egal welcher, es auffüllen konnte. „Eine Dame muss ständig nachdenken."
    „In diesem Punkt stimme ich Ihnen nicht zu", sagte Newbury. „Meine Margaret hat ihre Gedanken für sich behalten. Wir hatten eine großartige Ehe."
    „Ist Ihnen aus dem Weg gegangen, was?", meinte Lord Vickers.
    „Wie gesagt, eine großartige Ehe."
    Annabel blickte zu Louisa, die züchtig neben ihr saß. Ihre Cousine war ein schmächtiges Ding, mit schmalen Schultern, hellbraunem Haar und hellgrünen Augen. Neben ihr wirkte sie selbst immer ein wenig wie ein Ungeheuer, fand Annabel. Ihr eigenes Haar war dunkel und wellig, ihr Teint bräunte, wenn sie sich zu lang in der Sonne aufhielt, und ihre Figur zog seit ihrem zwölften Lebensjahr unwillkommene Aufmerksamkeit auf sich.
    Aber niemals - wirklich niemals - war ihr die Aufmerksamkeit derart unwillkommen gewesen als in diesem Augenblick, wo Lord Newbury sie anstarrte, als wäre sie zuckersüßes Naschwerk.
    Annabel saß ganz still da, versuchte sich ein Beispiel an Louisa zu nehmen und sich nicht anmerken zu lassen, was sie dachte. Ihre Großmutter schalt sie ständig dafür, dass ihre Miene zu ausdrucksvoll sei. „Um Himmels willen", lautete ein vertrauter Refrain, „hör auf, so
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