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Remember

Remember

Titel: Remember
Autoren: Roland Jungbluth
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verstummte.
    »Er ist weg«, sagte Michael. »Alles in Ordnung?«
    »Ja. Danke.« Annabel lächelte zaghaft.
    »Ehrlich, Leute«, sagte Eric, »diese blöde Mondlandung geht mir wirklich auf den Sack!«
    Niemand am Tisch widersprach ihm.
    Eine Zeit lang schwiegen sie. Es war inzwischen merklich dunkler geworden. Die Schatten auf dem Boden waren verschwunden und die bunten Fenster hatten aufgehört zu leuchten. In diesem Zwielicht empfand Annabel noch deutlicher die verstörende Trostlosigkeit dieses Raumes.
    »Wisst ihr, woran ich mich auch nicht mehr erinnern kann?«, fragte sie leise. Sie hatte beinahe Angst, es laut auszusprechen. »An gestern und wie ich überhaupt hierhergekommen bin.«
    »Sie also auch«, murmelte George und schickte noch einen unverständlichen Fluch hinterher.
    »Wie meinst du das?«
    »Eigentlich«, sagte Eric und die Enttäuschung war ihm deutlich anzusehen, »hatten wir gehofft, du wüsstest mehr darüber als wir. Wir können uns nämlich auch nicht erinnern. Wir vermuten, dass man uns gestern was gegeben hat, um uns ruhigzustellen. Und dass das irgendwie unser Gedächtnis beeinflusst hat. Wir haben Schwester Shelley danach gefragt, doch sie meinte, das sei Sache des Arztes.«
    »Schon möglich. Es erklärt aber nicht das Problem mit unseren Eltern. Vielleicht…«
    Michael wurde plötzlich sehr unruhig. Er rutschte nervös auf seinem Stuhl hin und her. »Wisst ihr, ich… ich habe darüber nachgedacht, was mit uns passiert sein könnte. Und ich… bitte haltet mich nicht für verrückt, aber…« Er holte tief Luft. »Was ist, wenn wir alle tot sind?«
    Annabel sah Michael entsetzt an. Und auch den anderen schien es nicht anders zu gehen.
    »Tot?«, platzte es aus Eric heraus. »Du meinst, wirklich tot? Wie in dem Satz: Oh, Scheiße, unser Wellensittich ist tot? So tot ? «
    Annabel schüttelte den Kopf. Der Gedanke war einfach nur abwegig. Dennoch zögerte sie. »Wir hatten vorher nie etwas miteinander zu tun. Keinen Kontakt und keine Gemeinsamkeiten außer der Schule. Und sollte man nach dem Tod nicht seine verstorbenen Verwandten treffen oder so was Ähnliches?«
    Eric nickte. »Ja, genau. Michaels Theorie ergibt keinen Sinn. Außerdem passt tot zu sein unheimlich schlecht in meinen Lebenslauf.«
    »Wie kommst du darauf, dass wir tot sind, Michael?« George stellte die Frage, die auch Annabel beschäftigte.
    »Keine Ahnung… war nur so eine Idee. Vergesst es einfach.«
    Annabel sah Michael direkt an. Er wich ihrem Blick aus, so als hätte er sich gerade verplappert. Doch obwohl sie neugierig geworden war, beschloss sie, einen Bogen um das Thema zu machen. »Okay… Was glaubst du eigentlich, was hier passiert, George?«
    George strich sich eine Strähne seines dünnen braunen Haares aus der Stirn. Er wirkte nervös und seine Stimme klang noch rauer und belegter als zuvor. »Was ich glaube? Na ja, ich weiß nicht. Habt ihr mal was von Roswell gehört?«
    »Oh, das musste ja kommen«, sagte Eric und stöhnte.
    »Ich weiß selbst, dass sich das bescheuert anhört. Aber es ist ja auch nur eine Theorie. Es gibt viele, die an Entführungen von Außerirdischen glauben. Und es würde auch erklären, warum uns Teile unserer Erinnerung fehlen.«
    Annabel tauschte einen Blick mit Michael. Seine blauen Augen unter den dunklen, fast schwarzen Haaren wirkten skeptisch. »Was ist mit dir, Annabel? Hast du eine Erklärung dafür, was mit uns passiert ist?«, fragte er.
    Annabel schloss für einen Moment die Augen, bevor sie eine Antwort gab. »Keine Ahnung, ehrlich«, sagte sie. »Und ich weiß nicht, was schlimmer ist: der Gedanke, dass an euren Theorien etwas dran ist, oder die Vorstellung, dass wir tatsächlich alle verrückt geworden sind.«
    6
    Annabel lag allein in ihrem Zimmer, starrte an die Decke und hoffte, dass ihr heute Nacht nicht Teile des Stucks auf den Kopf fallen würde. Die Kleider, die sie bei ihrer Einlieferung getragen haben musste, hingen in einem Spind. Sie waren in der Anstalt verboten. Das Gleiche galt für das Tragen von Schmuck. Uhren hingegen waren erlaubt. Damit die Insassen noch deutlicher spüren, wie quälend langsam die Stunden hier drinnen vergehen .
    Sie war in düstere Gedanken versunken, als die Tür aufgerissen wurde. Es war Schwester Shelley. Und als habe es den Zwischenfall vom Nachmittag nicht gegeben, sagte sie fröhlich: »Hallo, Schätzchen! Zeit, ein bisschen zu schlafen. Du wirst sehen, wenn du aufwachst, sieht die Welt schon wieder ganz anders aus.
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