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Reisefuehrer Barcelona

Reisefuehrer Barcelona

Titel: Reisefuehrer Barcelona
Autoren: Dorothea Maßmann
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mächtigeren Kastilien zeigen – zumindest in Sachen Kunst und Architektur. Das erklärt vielleicht auch die besonders verschwenderische Dekorlust des modernisme , des katalanischen Jugendstils. Noch größer, noch prächtiger und schöner sollte alles sein als in der spanischen Hauptstadt. Daran hat sich bis heute wenig geändert. Nur gestaltet man statt modernistischen Drachenköpfen inzwischen hypermodernes Design. Der Stachel sitzt tief: Katalonien, einst eine mittelalterliche Weltmacht, musste sich seit dem 16. Jh. immer wieder gängeln lassen von der zentralspanischen Vormacht. Zuletzt unter der Diktatur General Francos: Der generalísimo wollte mit der rebellischen Bastion im Norden aufräumen – und jedes nur erdenkliche Zeichen ihrer Identität zunichtemachen, angefangen mit der katalanischen Sprache, die verboten wurde. Zwar endete die Franco-Diktatur 1975, ihre Folgen beschäftigen die Katalanen indes noch immer. Inzwischen können rund 75 Prozent der Bevölkerung Katalanisch, aber gut die Hälfte der Einheimischen zieht im Alltag die spanische Sprache vor. Dennoch wurde die perfekte Beherrschung von català zur wichtigsten Einstellungsvoraussetzung erhoben.
    Der Alte Hafen gibt sich ziemlich mondän: mit Yachten und schicken Restaurants
Mediterrane Lebensart und Lässigkeit
    Misstrauen und Vorurteile der Katalanen gegenüber Madrid – und natürlich umgekehrt – sind nur allmählich zu überwinden. Wer den spontanen Menschenauflauf und den frenetischen Jubel auf der Rambla erlebt hat nach einem Sieg des F. C. Barcelona über den Erzrivalen Real Madrid, der weiß, dass es da um mehr geht als um Fußball. In Katalonien versteht man sich nach wie vor als Opfer zentralistischer Ungerechtigkeit. Nicht ohne Grund – allerdings hat man sich in die ewige Opferrolle mit der Zeit auch bequem eingerichtet. Ob Finanznöte oder Fehlplanung: Madrid ist an allem Schuld.
    Dazu kommt der katalanische Charakter: zum einen geprägt durch mediterrane Lässigkeit und Lebensart, zum anderen durch den Blick nach Europa. Die Katalanen fühlten sich immer schon dem Norden näher als der iberischen Halbinsel. Als nördlichste Metropole des Südens wird Barcelona gern bezeichnet oder als südlichste Stadt des Nordens – zu Recht. Was nicht bedeutet, dass sich manche Gegensätze immer in Wohlgefallen auflösen. Mitunter prallen sie sogar recht krass aufeinander. In der Altstadt etwa, die seit Jahren Stück für Stück umgekrempelt wird. Im totalsanierten Altstadtviertel Raval, im unteren Teil, dem legendären Barri Xino, dem Hafen- und Rotlichtviertel Barcelonas, findet man noch sichtbare Spuren jener halbseidenen Welt der Huren, Gauner und Ganoven, die den französischen Schriftsteller Jean Genet zu seinem „Tagebuch eines Diebes” inspirierte. Ein paar Schritte weiter haben die hippe Kultur- und Kneipenmeile rund um das Museum für Zeitgenössische Kunst und der neue Prachtboulevard Rambla del Raval das Bild völlig verändert.
    Nicht nur zum Guten: Mit der überfälligen Modernisierung hielten auch Immobilienhaie, Spekulanten, Luxushotels und die Schickeria Einzug ins angestammte Wohnquartier. Zum wachsenden Ärger der Bevölkerung, die beklagt, dass Barcelona zunehmend auf die Bedürfnisse von betuchten Trendsettern und Touristen zugeschnitten wird. Während es in ihren Vierteln an wichtiger Infrastruktur fehlt, klotzt man ihnen immer neue Luxusherbergen vor die Tür. So wie das 26-stöckige W-Hotel in Form eines gigantischen Segels direkt am Strand der Barceloneta.
    Inzwischen organisieren sich die Bewohner in Bürgerinitiativen „zur Rettung der Altstadt”. In der Barceloneta wollen sie verhindern, dass das legendäre Fischerviertel, wo sich die Nachbarn noch auf der Straße mit Namen begrüßen, zum „Miami Europas” wird. In den Vierteln Santa Caterina und Sant Pere, wo gerade eine hippe Kultur- und Kneipenszene entsteht, soll es nicht eines Tages so aussehen wie im benachbarten Inviertel El Born. Dort gibt es zwar viel Kunsthandwerk und Design, jede Menge trendiger Lokale, und alles ist schön restauriert. Aber weit und breit finden die Anwohner für ihre Einkaufe keine Drogerie oder Metzgerei mehr, und die Mieten für Einheimische sind mittlerweile oft unbezahlbar. In Sant Pere gibt es noch die engen Gassen mit den schmiedeeisernen Laternen, die aussehen, als sei die elektrische Beleuchtung noch lange nicht erfunden worden. Und es wäre wirklich schade, wenn im Rahmen der notwendigen Sanierung der raue Charme
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