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Reise nach dem Mittelpunkt der Erde

Reise nach dem Mittelpunkt der Erde

Titel: Reise nach dem Mittelpunkt der Erde
Autoren: Jules Verne
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den Rücken, um nur athmen zu können.
    Inzwischen verflossen Stunden. Die Lage war unverändert, aber ein Umstand machte sie mißlicher. Ein großer Theil der mitgenommenen Gegenstände war bei der Explosion, als das Meer so ungestüm uns zusetzte, abhanden gekommen. Mit der Laterne in der Hand untersuchte ich unsere Vorräthe. Von den Instrumenten waren nur noch ein Compaß und der Chronometer vorhanden; von Takelwerk nur ein Stück Tau, das um den Maststumpf gewunden war; kein Werkzeug mehr, und Lebensmittel nur noch auf einen Tag, ein Stück getrocknetes Fleisch und etliche Zwieback!
    Ich sah mit starrem Blick drein, wollt’ es nicht begreifen! Wenn auch die Lebensmittel auf Monate reichten, wie konnten wir aus den Abgründen, wohin das reißende Wasser uns trug, herauskommen?
    Demnach vergaß ich die unmittelbare Gefahr vor den Schrecken der Zukunft. Wie konnten wir ihnen entrinnen. Aber der Hunger drohte baldige Vernichtung.
    Ich getraute mit meinem Oheim nicht davon zu sprechen, um seine Kaltblütigkeit zu schonen.
    Nun ward das Licht in der Laterne allmälig schwächer und verlosch endlich, da der Docht völlig verbrannt war. Es ward wieder stockfinster, und es war nicht daran zu denken, das undurchdringliche Dunkel zu verscheuchen. Zwar hatten wir noch eine Fackel, aber man hätte sie gar nicht in der Hand halten können. Da machte ich’s wie ein Kind und schloß die Augen, um die Finsterniß nicht zu sehen.
    Nach geraumer Zeit ward die Schnelligkeit unserer Fahrt verdoppelt, wie mir durch die Stärke des Luftzugs, der wider mein Gesicht schlug, fühlbar wurde. Der Fall des Wassers wurde übermäßig; ich glaube wirklich, wir glitten nicht mehr, sondern fielen hinab. Es war mir, als stürzten wir fast senkrecht. Mein Oheim und Hans, die sich fest an meine Arme klammerten, hielten mich kräftig zurück.
    Plötzlich spürte ich einen Stoß; das Floß war nicht wider einen harten Körper gestoßen, sondern hielt in seinem Abfall auf einmal inne, und ein Wasserwirbel, eine ungeheure Säule stürzte über seine Oberfläche. Ich verlor den Athem, war überschwemmt …
    Doch dauerte diese plötzliche Ueberfluthung nicht lange. In einigen Secunden fühlte ich mich in freier Luft und konnte wieder ungehindert athmen. Mein Oheim und Hans hielten mir den Arm fest, und das Floß trug uns noch alle Drei.

Zweiundvierzigstes Capitel.
Bergfahrt im Tunnel.
    Es mochte damals zehn Uhr Abends sein. Das erste, was nach diesem letzten Stoß mir auffiel, war, daß es stille ward in der Galerie, nach dem Tosen und Brausen, welches bisher seit langen Stunden mein Ohr erfüllt hatte. Endlich drangen wie ein Gemurmel einige Worte meines Oheims zu meinem Ohr:
    »Nun geht’s aufwärts!
    – Was meinen Sie damit? rief ich.
    – Ja, aufwärts! wir fahren zu Berg!«
    Ich streckte den Arm aus, die Wand zu betasten; meine Hand ward blutig. Wir fuhren äußerst rasch bergan.
    »Die Fackel! die Fackel!« rief der Professor.
    Nicht ohne Schwierigkeit kam Hans damit zu Stande, sie anzuzünden, und die Flamme, welche trotz der aufsteigenden Bewegung aufrecht flackerte, reichte hin, die Scene zu beleuchten.
    »Das dacht’ ich mir wohl, sagte mein Oheim. Wir befinden uns in einem engen Schacht von kaum vier Klafter Durchmesser. Wenn das Wasser auf dem Grund ankommt, trachtet es sein Niveau zu gewinnen, und hebt uns mit sich empor.
    – Wohin?
     

    Explosion. (S. 221.)
     
    – Ich weiß nicht, aber man muß sich auf Alles gefaßt halten. Die Geschwindigkeit, mit der wir aufwärts kommen, schlage ich auf zwei Klafter in der Secunde an, also hundertundzwanzig in der Minute, d.i. über dreißig und eine halbe Lieues 1 in der Stunde. Auf diese Weise kommt man vorwärts.
     

    Bergfahrt mit Fackelbeleuchtung. (S. 224.)
     
    – Ja, wenn uns nichts hemmt, wenn dieser Schacht offen ist! Aber wenn er geschlossen ist, wenn die Luft unter dem Druck der Wassersäule allmälig sich verdichtet, wenn wir dann zerdrückt werden!
    – Axel, erwiderte der Professor mit großer Ruhe, die Lage ist allerdings fast zum Verzweifeln, aber es ist doch einige Aussicht auf Rettung da, und dies fasse ich jetzt in’s Auge. Können wir jeden Augenblick zu Grunde gehen, so können wir auch jeden Augenblick gerettet werden. Halten wir uns daher gefaßt, die geringsten Umstände zu benützen.
    – Aber was fangen wir jetzt an?
    – Stärken wir uns durch eine Mahlzeit.«
    Bei diesen Worten sah ich meinen Oheim mit starren Augen an. Was ich nicht gestehen wollte, mußte ich
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