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Reise nach dem Mittelpunkt der Erde

Reise nach dem Mittelpunkt der Erde

Titel: Reise nach dem Mittelpunkt der Erde
Autoren: Jules Verne
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nun heraussagen:
    »Essen? fragte ich.
    – Ja, unverzüglich.«
    Der Professor sprach einige Worte dänisch. Hans schüttelte den Kopf.
    »Wie, schrie mein Oheim, unsere Lebensmittel verloren?
    – Ja, hier dies der ganze Rest! ein Stück Dürrfleisch für uns drei!«
    Mein Oheim sah mich an, ohne begreifen zu wollen.
    »Nun, sagt’ ich, glauben Sie noch, daß wir davon kommen können?«
    Keine Antwort auf meine Frage.
    Eine Stunde verlief, ich fing an starken Hunger zu leiden. Meine Gefährten ebenfalls, aber Keiner wagte den armseligen Rest anzutasten.
    Inzwischen kamen wir mit äußerster Schnelligkeit aufwärts. Manchmal versagte uns der Athem, wie den Lustseglern, welche zu schnell auffahren. Aber wenn diese, nach Verhältniß wie sie in die höheren Luftschichten kommen, gesteigerte Kälte zu empfinden haben, so hatten wir gerade das Gegentheil zu leiden. Die Wärme nahm in beunruhigender Weise zu, und hatte gewiß in diesem Moment vierzig Grad.
    Was hatte diese Aenderung zu bedeuten? Bisher hatten die Thatsachen die Theorien Davy’s und Lidenbrock’s bestätigt; bisher hatten die besonderen Bedingungen von feuerbeständigem Gestein, Elektricität, Magnetismus die allgemeinen Naturgesetze modificirt und uns eine gemäßigte Temperatur verschafft, denn in meinen Augen war die Theorie vom Centralfeuer doch die einzig richtige, die allein erklärbare. Sollten wir nun in eine Umgebung kommen, wo diese Erscheinungen in aller Strenge sich vollzogen und die Felsen durch die Hitze vollständig zerschmolzen? Ich fürchtete es und sagte zum Professor:
    »Sind wir nicht ertrunken oder zerquetscht, sterben wir nicht Hungers, so bleibt uns immer noch die Aussicht, lebendig zu verbrennen.«
    Er zuckte nur die Achseln und sank in seine Betrachtungen zurück.
    Eine Stunde verlief weiter, und, ausgenommen eine geringe Steigerung der Temperatur, hatte kein Zwischenfall die Lage verändert. Endlich brach mein Oheim das Schweigen.
    »Sehen wir, sprach er, man muß eine Entschließung fassen.
    – Eine Entschließung fassen? entgegnete ich.
    – Ja. Wir müssen unsere Kräfte ersetzen. Wenn wir versuchen, durch Sparung dieses Restes unser Dasein um einige Stunden zu verlängern, so werden wir bis zu Ende schwach sein.
    – Ja, bis zum Ende, das nicht auf sich warten lassen wird.
    – Wenn nun eine Gelegenheit der Rettung sich ergiebt, das Handeln im Moment nothwendig wird, woher nehmen wir die Kraft zum Handeln, wenn wir uns durch Nahrungsmangel abschwächen lassen?
    – Aber, Oheim, was bleibt uns dann, wenn dieser Rest aufgezehrt ist?
    – Nichts, Axel, nichts. Aber wird’s Dich mehr nähren, wenn Du es mit den Augen verzehrst? Du urtheilst wie ein Mensch ohne Willenskraft, ein Geschöpf ohne Energie!
    – Verlieren Sie denn nicht die Hoffnung? rief ich gereizt.
    – Nein! entgegnete fest der Professor.
    – Wie? Sie glauben noch an eine Möglichkeit der Rettung?
    – Ja! Gewiß, ja! und ich lasse nicht gelten, daß ein mit Willen begabtes Geschöpf, so lange sein Herz schlägt, so lange sein Fleisch zuckt, der Verzweiflung Raum gebe.«
    Welche Worte! Der Mann, welcher unter solchen Umständen sie aussprach, hatte sicherlich einen ungewöhnlich festen Charakter.
    »Schließlich, sagte ich, was denken Sie zu thun?
    – Diesen Rest von Nahrung bis zum letzten Krümchen aufzehren, und damit unsere Kräfte ersetzen. Wird dieses Mahl unser letztes sein, gut! aber zum Mindesten werden wir dann, anstatt entkräftet, wieder Menschen geworden sein.
    – Nun denn! so verschlingen wir’s!« rief ich aus.
    Mein Oheim nahm das Stück Fleisch und den wenigen Zwieback, welcher aus dem Schiffbruch gerettet war, machte daraus drei gleiche Portionen und theilte sie aus. Es betrug für den Mann etwa ein Pfund Nahrung. Der Professor verzehrte es gierig, mit fieberhaftem Ungestüm; ich, ohne Behagen, trotz meines Hungers fast mit Widerwillen; Hans ruhig, langsam, kaute stille kleine Stückchen, und genoß sie mit der Ruhe eines Menschen, den die Sorgen um die Zukunft nicht quälten. Er hatte noch eine halbe Flasche Wachholderbranntwein aufgefunden und bot uns denselben an. Dieser wohlthuende Trunk vermochte mich ein wenig wieder zu beleben.
    »
Förtrafflig!
sagte Hans, indem er trank.
    – Vortrefflich!« stimmte mein Oheim ein.
    Ich hatte wieder einige Hoffnung gefaßt. Aber unser letztes Mahl war nun zu Ende. Es war fünf Uhr frühe.
    Nach dieser Mahlzeit gab sich jeder seinem Gedankenspiel hin, Hans, dieser Mann des äußersten Westens,
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