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Reise mit Hindernissen nach England und Schottland

Reise mit Hindernissen nach England und Schottland

Titel: Reise mit Hindernissen nach England und Schottland
Autoren: Jules Verne
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fürchte, daß ihr die Kohle, diese Hustenbonbons für Maschinen, ausgehen könnte.«
    »Sag so etwas nicht«, antwortete Jonathan, »das fehlte gerade noch! Wenn ich mir vorstelle, daß wir auf Bordeaux zufahren, um eine Reise nach Schottland zu beginnen!«
    Schließlich war es Zeit für das Abendessen, und mit einem Eifer, der nichts Gutes verhieß, stürmten die Passagiere in den Salon: Man setzte sich, faltete die Servietten auseinander, reichte dem Kapitän, der bei Tisch den Vorsitz führte, seinen Teller und bekam eine ekelerregende Flüssigkeit. Sie war nur deshalb eine Suppe, weil sie vor dem Essen serviert wurde, danach hätte sie Abwaschwasser geheißen. Eine Schiffskatze beendete ihr süßes Leben ebenfalls bei diesem denkwürdigen Anlaß; sie wurde mit allerhand Gewürzen zubereitet, aber das nachtragende Tier rächte sich bitter im Magen des armen Jonathan, der wahrscheinlich die Krallen geschluckt hatte! Der Kapitän des
Comte d’Erlon
war jedoch großartig, als er beim Dessert das Wort ergriff:
    »Meine Herren«, sagte er und setzte seinen ausgehungerten Gästen ein paar Sardinen vor, »ich wollte diese kurze Reise nicht ausklingen lassen, ohne Ihnen echte
Royans
anzubieten, die aus der Gironde gefischt wurden.«
    »Wie bitte,
Royans!«
riefen alle wie mit einer Stimme. »Das sind doch bloß Sardinen!«
    »Meine Herren, Sie irren sich! Das sind echte, und ich möchte noch hinzufügen, ausgezeichnete
Royans.
«
    Den Passagieren war es lieber, sie zu verspeisen als noch lange über sie zu debattieren. Doch Jacques zog daraus den logischen Schluß, daß in Bordeaux die Sardinen
Royans
hießen und die
Royans
in Nantes Sardinen. Der Kapitän war für ihn folglich Gascogner, sobald er die Garonne stromaufwärts fuhr!
Siebtes Kapitel
Zwischenstation in Bordeaux
    In diesem Augenblick war ein langer Rauchstreifen am Horizont zu erkennen. Er stammte von einem Dampfer, der rasch aufholte und dem
Comte d’Erlon
zusehends näher kam; seine Segel waren sorgfältig an den Rahen festgemacht, und er fuhr, durch die kräftige und ruhige Bewegung seiner Schiffsschraube angetrieben, mit unvergleichlicher Grazie und Geschwindigkeit dahin.
    »Das ist aber ein hübsches Schiff«, meinte Jacques, »und es läuft besser als unseres. Ich brenne darauf, seinen Namen zu erfahren, damit ich ihn mir hinter meine Reiseohren schreiben kann!«
    Diese Genugtuung konnte er sich alsbald verschaffen: Er richtete sein Fernglas auf das Schiff und las auf der linken Backbordseite ganz deutlich:
Comtesse de Frecheville!
    »Die
Comtesse!«
rief er.
    Tatsächlich, es war die
Comtesse,
die, nachdem sie Nantes zwölf Stunden später als der
Comte
verlassen hatte, zwölf Stunden vor ihm in Bordeaux eintreffen sollte.
    »Die
Comtesse
ist entschieden gewandter«, sagte Jonathan zu ihm; »was für ein flottes Mädchen! Ich hatte schon recht, als ich ihr unser Schicksal anvertrauen wollte!«
    Ein Pfotenhieb der so unvorsichtigerweise verschlungenen Katze brachte diesen harmlosen Scherz zum Verstummen.
    Da bot die Gironde den Augen der Reisenden eines ihrer schönsten Schauspiele dar.
    Sie erreichten Le Bec d’Ambès, jene Stelle, an der die Dordogne und die Garonne ihre Wasser unter dem Namen Gironde ineinanderströmen lassen. Herrliche Bäume in verlockendem Grün säumen die vier Ufer, und die beiden Flüsse vertragen sich in den ersten Augenblicken ihrer Vereinigung nicht allzu schlecht; Le Bec d’Ambès wird noch von den Strahlen ihres Honigmondes erhellt, und erst weiter draußen, gegen den Atlantischen Ozean hin, streiten sie sich wie alte Eheleute und peitschen ihre zornigen Fluten auf.
    Die Nacht brach bereits herein; die Passagiere warteten ungeduldig darauf, ans Ziel ihrer Reise zu gelangen, und standen vorn am Bug des Schiffes. Sie hefteten ihre Blicke auf die Windungen des Flusses, und bei jeder Krümmung wuchs ihre Enttäuschung.
    »Es ist ärgerlich! Einfach absurd! Wir kommen auch heute abend nicht an! Jetzt sind wir seit achtundvierzig Stunden in dieser verfluchten Sardinenbüchse eingesperrt!«
    Dann wandten sie sich an den Kapitän, erkundigten sich beim Ersten Offizier, fragten den Lotsen aus, aber dieser blickte sie nur mit spöttischer Miene an.
    Weitere zwei Stunden vergingen! Zwei schreckliche Stunden! Der
Comte d’Erlon
kämpfte gegen den Wind und die Gezeiten! Endlich tauchten am rechten Ufer verstreut ein paar Lichter auf, glühende Fabriksschlote kamen am linken Ufer in Sicht; Schattenrisse von Schiffen, die schlafend
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